Lingen im Zweiten Weltkrieg

Luftangriffe und Straßenkämpfe im Stadtzentrum

Englischer Panzer auf der Emsbrücke in Wachendorf Anfang April 1945

Mit dem Kriegsbeginn im September 1939 änderte sich der Alltag in Lingen schlagartig. Die Militäreinheiten aus den Kasernen rückten zu ihren Kampfeinsätzen aus, die Wehrpflichtigen wurden zum Kriegsdienst einberufen und kämpften bald an allen Fronten Europas.

Verabschiedung von Lingener Soldaten am Bahnhof Lingen
Unterhaltungsabend für die Soldaten in Lingen im Januar 1940

Lebensmittel, Kleidung und Verbrauchsmaterialien wurden bei Kriegsbeginn sofort rationiert und waren nur noch auf Bezugsscheine erhältlich.

Kriegesgefangene bei Reparaturarbeiten im Straßenbau

Frauen und später auch Kriegsgefangene mussten in immer mehr Betrieben an die Stelle von Männern treten, die zum Militärdienst eingezogen wurden.

Lingener Eisenbahner bauten 1942 in Saporoshje ein neues Ausbesserungwerk auf

Im Herbst 1942 wurden ganze Abteilungen des Werkes mit mehreren hundert Eisenbahnern nach Saporoshje in der Ukraine verlegt, um dort im Rücken der Front ein neues Ausbesserungswerk aufzubauen.

Foto eines Lingener Soldaten vom Wintereinsatz in Russland

Die Kriegswirtschaft und die Sorge um die Angehörigen beim Militär und im Kriegseinsatz bestimmten das Leben in Stadt und Land.

Inspektion eines Bombentrichters in den ersten Kriegsjahren

Ab 1942 fielen zunehmend Bomben über Lingen und dem Emsland. Was die deutsche Luftwaffe mit den Angriffen auf Warschau, Rotterdam und London begonnen hatte, beantworteten die Alliierten nun mit Bombenangriffen auf deutsche Städte.

Lingener Frauen bei einer Luftschutzübung in Hannover

Anfangs glaubten manche noch der Kriegspropaganda: Luftschutz und Luftwaffe würden alle alliierten Bomber von deutschem Gebiet fernhalten. Der Ausbau von Luftschutz und Flugabwehr wurden verstärkt.

Mit Flak-Kanonen sollten Lingener Gymnasiasten Luftangriffe abwehren (1944)
Lingener Gymnasiasten als Flakhelfer auf dem Schepsdorfer Esch

Die Alliierten warnten jedoch die Bevölkerung und verbreiteten die Parole: „Lingen ist ein kleines Loch, aber wir finden Lingen doch“. Es war klar, dass früher oder später ein Angriff auf das Eisenbahnwerk kommen würde.

Noch lachen sie für den Fotografen: Luftschutzkeller an der Lindenstraße
Nach dem ersten Großangriff lachte keiner mehr – Luftschutzkeller im Strootgebiet

Bunker wurden gebaut und Keller als Luftschutzräume eingerichtet. Doch Baumaterial und Arbeitskräfte für den Bunkerbau standen nicht mehr ausreichend zur Verfügung.

Behelfsbunker im Wald nördlich von Lingen (1944)

Manche Familien brachten Teile des Hausrats bei Bauern oder auswärtigen Verwandten unter, andere bauten sich Erdbunker in den Wäldern im Umfeld der Stadt.

Die Nazis nutzten die Kriegslage, um die verbliebenen Juden in die neuen Vernichtungslager zu deportieren, die sie in den besetzten Ländern in Osteuropa gebaut hatten. Dort mussten sie schwere Zwangsarbeiten leisten und wurden am Ende alle ermordet. Den zurückgelassenen Hausrat der Juden verteilten die Nazis an Bedürftige und Ausgebombte, Wertsachen wurden häufig von den Nazis unterschlagen.

Bei einem Luftangriff 1944 wurde die große Lokomotivhalle weitgehend zerstört

Im Februar 1944 erfolgte der erste große Luftangriff auf Lingen. Das Lok- und das Wagenwerk wurden zerstört.

Trauerfeier für die Toten vom Luftangriff im November 1944

Auch die umliegenden Wohngebiete waren stark betroffen. Ganzen Straßenzüge fielen in Trümmer. Es gab viele Tote unter der Zivilbevölkerung.

Große Verwüstungen durch den Luftangriff am Alten Hafen (1944)

Mit Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen wurden die Ruinen nun der Schutt geräumt. Die Kriegspropaganda versprach einen baldigen Wiederaufbau.

Blick nach dem Luftangriff über das vewüstete Bögenviertel (1944)

Doch im November 1944 kam ein zweiter großer Luftangriff, der das gesamte südliche Stadtgebiet erneut schwer verwüstete. Gebäude und Bahnanlagen, die man gerade wieder aufgebaut hatte, wurden erneut zerstört.

Foto eines Lingener Soldaten vom Krieg in Russland

Immer mehr Todesnachrichten von allen Fronten Europas trafen im Laufe des Krieges in Lingen ein und ganze Jahrgänge junger Soldaten wurden als „Kanonenfutter“ verheizt.

Letzte Großkundgebung der Nazis in Lingen im Herbst 1944
Letzte Großkundgebung der Nazis in Lingen im Herbst 1944

Der Fanatismus der Nationalsozialisten im „Totalen Krieg“ kannte keine Grenzen und opferte auch die eigene Zivilbevölkerung und die eigenen Jugendlichen. Den Kriegsverlauf konnte das nicht aufhalten.

Beim Herannahen der Front sprente dei Wehrmacht alle Emsbrücken (hier in Hanekenfähr)

Mittlerweile waren die Alliierten in Normandie gelandet und rückten auch von Westen her auf Deutschland vor. Bald standen sie in den Niederlanden und Ostern 1945 erreichten ihre Panzer die Emsbrücke in Schepsdorf, die von den Deutschen sofort gesprengt wurde.

Englische Panzer rollen in die größtenteils zerstörte Lookenstraße

Die Engländer eroberten aber die Brücke in Wachendorf und rückten über Altenlingen auf die Innenstadt vor. Die deutschen Verteidiger igelten sich im Stadtzentrum ein und leisteten in schweren Häuserkämpfen tagelang erbitterten, aber völlig sinnlosen Widerstand. Die Nationalsozialisten machten sich aus dem Staub und auch viele Zivilisten flüchteten vor den Kämpfen aus der Stadt. Während der Häuserkämpfe wurden ganze Straßenzüge zerstört und viele Familien verloren noch in den letzten Kriegstagen Hab und Gut. Doch was war das schon gegen die Millionen Opfer des Angriffskrieges und das Schicksal der ermordeten Juden Europas.