Luftangriffe und Straßenkämpfe im Stadtzentrum

Mit dem Kriegsbeginn im September 1939 änderte sich der Alltag in Lingen schlagartig. Die Militäreinheiten aus den Kasernen rückten zu ihren Kampfeinsätzen aus, die Wehrpflichtigen wurden zum Kriegsdienst einberufen und kämpften bald an allen Fronten Europas.


Lebensmittel, Kleidung und Verbrauchsmaterialien wurden bei Kriegsbeginn sofort rationiert und waren nur noch auf Bezugsscheine erhältlich.

Frauen und später auch Kriegsgefangene mussten in immer mehr Betrieben an die Stelle von Männern treten, die zum Militärdienst eingezogen wurden.

Im Herbst 1942 wurden ganze Abteilungen des Werkes mit mehreren hundert Eisenbahnern nach Saporoshje in der Ukraine verlegt, um dort im Rücken der Front ein neues Ausbesserungswerk aufzubauen.

Die Kriegswirtschaft und die Sorge um die Angehörigen beim Militär und im Kriegseinsatz bestimmten das Leben in Stadt und Land.

Ab 1942 fielen zunehmend Bomben über Lingen und dem Emsland. Was die deutsche Luftwaffe mit den Angriffen auf Warschau, Rotterdam und London begonnen hatte, beantworteten die Alliierten nun mit Bombenangriffen auf deutsche Städte.

Anfangs glaubten manche noch der Kriegspropaganda: Luftschutz und Luftwaffe würden alle alliierten Bomber von deutschem Gebiet fernhalten. Der Ausbau von Luftschutz und Flugabwehr wurden verstärkt.


Die Alliierten warnten jedoch die Bevölkerung und verbreiteten die Parole: „Lingen ist ein kleines Loch, aber wir finden Lingen doch“. Es war klar, dass früher oder später ein Angriff auf das Eisenbahnwerk kommen würde.


Bunker wurden gebaut und Keller als Luftschutzräume eingerichtet. Doch Baumaterial und Arbeitskräfte für den Bunkerbau standen nicht mehr ausreichend zur Verfügung.

Manche Familien brachten Teile des Hausrats bei Bauern oder auswärtigen Verwandten unter, andere bauten sich Erdbunker in den Wäldern im Umfeld der Stadt.
Die Nazis nutzten die Kriegslage, um die verbliebenen Juden in die neuen Vernichtungslager zu deportieren, die sie in den besetzten Ländern in Osteuropa gebaut hatten. Dort mussten sie schwere Zwangsarbeiten leisten und wurden am Ende alle ermordet. Den zurückgelassenen Hausrat der Juden verteilten die Nazis an Bedürftige und Ausgebombte, Wertsachen wurden häufig von den Nazis unterschlagen.

Im Februar 1944 erfolgte der erste große Luftangriff auf Lingen. Das Lok- und das Wagenwerk wurden zerstört.

Auch die umliegenden Wohngebiete waren stark betroffen. Ganzen Straßenzüge fielen in Trümmer. Es gab viele Tote unter der Zivilbevölkerung.

Mit Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen wurden die Ruinen nun der Schutt geräumt. Die Kriegspropaganda versprach einen baldigen Wiederaufbau.

Doch im November 1944 kam ein zweiter großer Luftangriff, der das gesamte südliche Stadtgebiet erneut schwer verwüstete. Gebäude und Bahnanlagen, die man gerade wieder aufgebaut hatte, wurden erneut zerstört.

Immer mehr Todesnachrichten von allen Fronten Europas trafen im Laufe des Krieges in Lingen ein und ganze Jahrgänge junger Soldaten wurden als „Kanonenfutter“ verheizt.


Der Fanatismus der Nationalsozialisten im „Totalen Krieg“ kannte keine Grenzen und opferte auch die eigene Zivilbevölkerung und die eigenen Jugendlichen. Den Kriegsverlauf konnte das nicht aufhalten.

Mittlerweile waren die Alliierten in Normandie gelandet und rückten auch von Westen her auf Deutschland vor. Bald standen sie in den Niederlanden und Ostern 1945 erreichten ihre Panzer die Emsbrücke in Schepsdorf, die von den Deutschen sofort gesprengt wurde.

Die Engländer eroberten aber die Brücke in Wachendorf und rückten über Altenlingen auf die Innenstadt vor. Die deutschen Verteidiger igelten sich im Stadtzentrum ein und leisteten in schweren Häuserkämpfen tagelang erbitterten, aber völlig sinnlosen Widerstand. Die Nationalsozialisten machten sich aus dem Staub und auch viele Zivilisten flüchteten vor den Kämpfen aus der Stadt. Während der Häuserkämpfe wurden ganze Straßenzüge zerstört und viele Familien verloren noch in den letzten Kriegstagen Hab und Gut. Doch was war das schon gegen die Millionen Opfer des Angriffskrieges und das Schicksal der ermordeten Juden Europas.