Ein alter Brauch zum Pfingstfest
Pfingsten verbinden die meisten Lingener nicht nur mit einem hohen kirchlichen Feiertag, sondern auch mit dem Bürgerschützenfest und dem seit 1372 regelmäßig zu Pfingsten gefeierten Bürgersöhne-Aufzug zum Kivelingsfest.
Doch noch ein weiterer Begriff, der mit Pfingsten im Zusammenhang steht, ist im Emsland allgemein bekannt: der Pfingstochse. Er erinnert an den bis ins 19. Jahrhundert weit verbreiteten Brauch, zu Pfingsten einen geschmückten Ochsen durch das Dorf zu treiben. Das Tier wurde mit Blumen, Stroh und Kränzen geschmückt und in einem feierlichen Zug durch die Gassen geführt, um dann letztlich als Schlachtvieh für das festliche Pfingstessen zu enden.
Im Stadtbild ganz besonders sichtbar war dies in Lingen, denn hier entstand 1892 am sogenannten Gasthausdamm unmittelbar am Rande der Innenstadt auf dem Gelände der früheren städtischen Kuhweide ein kommunaler Schlachthof. Während Schweine damals meistens noch vor Ort von einem fachkundigen Hausschlachter getötet und zerlegt wurden, galt für Rinder und Pferde schon ein sogenannter Schlachtzwang in einem hygienisch besonders ausgestatteten Schlachthaus. Die Gebühr dafür betrug in Lingen seinerzeit für einen Ochsen oder einen ausgewachsenen Stier 4 Mark, für eine Kuh 3 Mark und für ein Schwein 1,75 Mark. Gekühlt wurde das Schlachthaus mit Eisblöcken aus dem Dortmund-Ems-Kanal, die in Winter in einen Eiskeller eingelagert und den Sommer über verbraucht wurden.
Der Weg zum früheren Schlachthof (dieser dient seit einem Umbau heute als Jugendzentrum „Alter Schlachthof“) führte einst durch die Straßen der Altstadt, denn die heutige Ringstraße um die Innenstadt herum gab es früher noch nicht. Gerade zu Pfingsten dürfte so mancher Ochse oder Stier seine letzte Runde über den Lingener Marktplatz gedreht haben. Dort befand sich nämlich direkt vor dem historischen Rathaus die öffentliche Viehwaage. Stellte der Besitzer eines Tieres vor der Übergabe an den Schlachthof ein überraschend hohes Schlachtgewicht fest, so konnte man gleich in einer der vielen benachbarten Gaststätten einen darauf anstoßen.
Der Pfingstochse hat aber auch noch eine zweite, sprichwörtliche Bedeutung. Damit meint man einen zumeist etwas einfältigen Menschen, der sich zu einem festlichen Ereignis vom Scheitel bis zur Sohle ungewohnt und bisweilen auch etwas übertrieben fein gemacht hat, eben herausgeputzt wie ein Pfingstochse. Ob dabei eventuell ein Zusammenhang mit dem Kivelingsfest besteht, konnte Forschung bislang noch nicht klären.