Alte Hochzeitsbräuche im Emsland
An diesem Wochenende heiratet in Lengerich nach alter Väter Sitte unser Vorstandsmitglied im Museumsverein Michael Merscher. Grund genug, einmal einen Blick auf die alten Hochzeitsbräuche im Emsland zu werfen. Und unser Fotoarchiv vermittelt dazu einen anschaulichen Eindruck.
Die Einladung der Gäste erfolgte früher stets persönlich durch einen sogenannten „Hochtiedsnöger“. Wenn ein solcher an der Haustür erschien, war die Freude groß, denn nun stand eine Einladung zu einer Hochzeit ins Haus. Jeder, der kommen würde, knotete ein Band an den Stab des Hochtiedsnögers. So wusste man, mit wie vielen Gästen zu rechnen war.
Eine Woche vor der Hochzeit holten die Nachbar und Verwandten die Aussteuer der Braut aus ihrem Elternhaus auf den Hochzeitshof. Dieses „Overhaalen“ des Brautwagens war ein großes Fest für alle Beteiligten. Man nannte diesen Wagen auch „Kistenwagen“, weil darauf früher die Truhe (= Kiste) mit der Aussteuer der Braut aufgeladen wurde.
Der Weg des Brautwagens und das Datum des „Overhaalens“ waren allgemein bekannt und wurden durch Böllerschüsse begleitet. Unterwegs versperrten die Anlieger oder Bekannte den Weg und ließen sich die Freigabe der Durchfahrten bezahlen. Natürlich mit flüssigem Wegezoll. Und hochprozentig.
Die Wege in den Landgemeinden wurden früher von den Einwohnern der Bauerschaften in Eigenarbeit, dem sogenannten „Herrendienst“, ausgebessert. Stand ein „Overhaalen“ fest, dann wurde das Datum des Herrendienstes auf dieses Tag und die entsprechende Wegstrecke angeordnet. Auf diese Weise konnte alle beim Absperren „helfen“.
Einige Tage vor der Hochzeit brachten die Nachbar die Schinken für das Hochzeitsessen. Es war üblich, dass alle Nachbarhöfe sich mit einem guten Schinken daran beteiligten, denn die Zahl der Geladenen war immer groß.
Der Abend vor der Hochzeitsfeier hieß „Hühnerabend“. An diesem Abend brachten die Nachbarn die Hühner für die Hochzeitssuppe. Die Frauen aus der Nachbarschaft nahmen die Innereien aus und rupften die Hühner.
Am Hochzeitstag wurden die Brautleute mit einer geschmückten Kutsche von der Kirche abgeholt. Die Wege aus den Bauerschaften zur Kirche waren oft sehr weit. Wenn die Kutsche die Grenze der eigenen Gemeinde oder Bauerschaft erreichte, schlossen sich viele Nachbarn und bekannte dem Hochzeitszug an.
Auf dem Hof hatten sich unterdessen die Hochzeitsgäste schon versammelt und erwarteten das Eintreffen der Brautleute. Die Musikanten standen bereit. Mit einem geschmückten Besen und dem Stab des Hochtiedsnögers wurden die Brautleute empfangen.
Vor dem Dielentor wurden die Brautleute empfangen. War es die Heirat des Hoferben, so wurden die Brautleute von hier aus symbolisch in das Haus geführt und die Braut in ihre neue Rolle als Vorsteherin des Haushaltes eingesetzt.
Um das Dielentor oder über die Haustür hängten die Nachbarn einen Kranz mit Papierblumen und ein Begrüßungsschild für das Brautpaar.
Schon früh am Morgen hatten die Frauen aus der Nachbarschaft mit der Vorbereitung des Hochzeitsessen für die oft über hundert Gäste begonnen. Nicht nur die Zubereitung, sondern auch das Auftragen des Essens für so viele Personen waren eine organisatorische Meisterleistung.
Gegessen wurde nach Möglichkeit und je nach Witterung am liebsten an langen Tischen im Freien. Gerne nutzte man auch ein offenes Überdach, damit ein kleiner Regenschauer keinen Strich durch die Rechnung machte.
Das Essen mit Suppe, Hauptgericht und Nachtisch zog sich über mehrere Stunden hin. Zwischen den Gängen gab es kleine Ansprachen udn Musik. Die Stimmung steigerte sich rasch, da auch entsprechende Getränke gereicht wurden.
Hatte sich schlechtes Wetter eingestellt, dann wurden die langen Tische auf der Diele oder in der Scheune aufgebaut. Aber dem Vernehmen nach schmeckte das Essen unter freiem Himmel auf jeden Fall besser.
Die Tiere wurden zur Hochzeit ausgelagert und in anderen Ställen oder bei den Nachbarn untergebracht. Das Säubern und Schmücken der Diele sowie das Aufbauen der Tische und Bänke waren Aufgaben der Nachbarn.
Gegen Ende der Mahlzeiten traten die Köchinnen und Helferinnen mit frischen Schürzen vor die Festgesellschaft und baten um ein Trinkgeld. In der Regel wurde reichlich gegeben, den eine Bezahlung erhielten die Köchinnen nicht. Die Hilfe bei Hochzeit war Nachbarpflicht auf Gegenseitigkeit.
Nach dem Abendessen wurde ein Teil der Tische abgeräumt und die Musik spielte zum Tanz auf. Als Tanzfläche nutzte man den größten Raum des Bauernhauses, die Diele. Daher der Ausdruck „Danz up de Deel“.
Den Tag nach der Hochzeit nennt man im Emsland „Hahnholen“. Am späten Vormittag erschienen die Nachbarn und Helfer, die am Hochzeitstag tüchtig gerarbeitet hatten, und „beschlagnahmten“ gemeinsam mit den nimmermüden Gästen die Vorräte an Essen und Trinken. Der Hahn wurde aus dem Stall geholt, zuerst mitgeführt und am Ende geschlachtet, um ihn gemeinsam zu verzehren. Diese Brauch ist bis heute im Emsland sehr populär.