Von pons zu Pünte

Woher das Schiff seinen Namen trägt

Emspünten im Alten Kanal, vor 1905. Emslandmuseum Lingen.

Der Handelsverkehr zu Wasser wurde zwischen Münster, Holland und Friesland bis ins 20. Jahrhundert hinein mit sogenannten Pünten vollzogen. Dabei handelt es sich um hölzerne Schiffe ohne Motorantrieb, die von Menschenhand oder von Pferden vom Ufer aus durch das Wasser gezogen wurden.

Der Boden dieses Schiffstyp war flach, die Bordwand neigte sich nur leicht nach außen. Pünten waren oft mit einem Segel ausgestattet. Die Ausnutzung des Winddrucks reichte aber allein zumeist nicht aus, sodass eine weitere Antriebsmöglichkeit genutzt wurde: das sogenannte Treideln. Darunter versteht man das Schiffsziehen. Dieses erfolgte entweder durch Menschenkraft oder durch Pferdestärke. Für letzteres wurde ein Pferd an Bord mitgenommen, das vor den Strecken, an denen getreidelt werden musste, an Land geführt wurde. Die Mitnahme von Pferden ist schon für das 16. Jahrhundert belegt. In der Chronik des münsterischen Domkantors Melchior Röchell (+ 1606) ist Folgendes festgehalten: „Densolbigen jare [1582] hetten die burger alhir zu Munster angestellet und gemachet eine schifforth uf den Emese, das sie konthen midt puenthen von Riene [Rheine] abfaren bis uf Greven, an das Haus Schonnefliete.“ Der Besitzer von Schönefliet, der münsterische Dompropst Goswin von Raesfeld, wollte von den Püntenschiffern allerdings Zoll erheben. Als sich diese weigerten, nahm der Dompropst den Puentekers – wie die Püntenschiffer in der Chronik genannt werden – die Pferde, die sie zum Treideln bei sich führten, als Zahlung ab.

Treideln auf dem Rhein bei Worms. Ausschnitt der Stadtansicht aus Sebastian Münster, Cosmographey oder beschreibung aller Länder, Herrschafften, fürnem[m]sten Stetten, geschichten, gebreüchen, Basel 1574.

Woher kommt der Begriff „Pünte“

Heute setzt man diese Schiffe fast ausschließlich als Fähren zur Überquerung von Gewässern ein. Doch woher kommt eigentlich der etwas merkwürdig anmutende Begriff „Pünte“?

Diese Frage lässt sich mit Blick in die Quellen eindeutig beantworten. In Cornelis Kiels „Etymologicum Teutonicae linguae, sive dictionarium Teutonico-Latinum“, einem deutsch-lateinisch Wörterbuch, das 1599 in Antwerpen gedruckt wurde, heißt die Pünte noch ponte und wird übersetzt mit „ponto : navigium, quo amnes trajiciuntur“, also ‚Schiff, mit dem Flüsse überquert werden‘. Hier deutet sich bereits an, was dann durch das noch ältere niederdeutsche Wörterbuch des Gert van der Schuren, genannt „Teuthonista“, von 1477 zur Gewissheit wird. Dort schreibt er: „verschep [Fährschiff] to beyden syden apen, dat heyt eyn pont, ind eyn verschep an den rueder eynde toe ind an den vordersten eynd apen, dat heyt eyn pyper. Ind beyde dese scheep heiten podonium [lies: pontonium]“ – ‚Fährschiff, das zu beiden Seiten offen ist, das heißt ein Pont, und ein Fährschiff, das an der Ruderseite geschlossen und an der Vorderseite offen ist, das heißt ein Pyper. Und beide diese Schiffe heißen pontonium‘.

Hier zeigt sich deutlich, dass das Wort Pont für Pünte vom lateinischen pontonium abgeleitet ist, was ‚kleine Fähre‘ bedeutet. Pünte ist also letztlich eine Entlehnung aus dem Lateinischen, was sehr häufig auch im Niederdeutschen vorkommt. So gehört etwa die Forke ‚Mistgabel‘ zu lateinsich furca ‚Gabel‘, die Pütte ‚Brunnen‘ oder der Pütt ‚(Bergwerks)-Schacht‘ zu lateinisch puteus ‚Schachtbrunnen‘ – um nur zwei Beispiele zu nennen. Durch die Römer in Germanien vermittelte technische Neuerungen wurden auch mit deren Bezeichnung für diese Dinge übernommen – und durch die Bevölkerung vor Ort an ihre Aussprache angepasst.

Segelnde Pünte auf dem Ems-Vechte-Kanal, um 1925. Emslandmuseum Lingen.

Vermutlich ist aber der Begriff Pünte < Ponte < Pontonium nicht direkt von den Römern übernommen worden, sondern erst über das Niederländische ins Emsland gekommen. Denn hier heißt pont ebenfalls ‚Fähre‘.

Das lateinische pontonium geht übrigens auf lateinisch pons (im Wessenfall pontis) ‚Brücke‘ zurück. Der wortgeschichtliche Zusammenhang liegt auf der Hand: Das Pontonium, eine Verkleinerungsform zu ponto ‚Fähre‘, gewährleistet – wie eine Brücke – den Übergang über ein Gewässer. Pons wie Ponto(nium) sind Möglichkeiten des Übergangs – der eine fest aus Holz oder Stein, der andere als schwimmende Brücke.