Warum ist das Heilige Meer heilig?

Auf der Grenze zwischen den Gemeinden Hopsten und Recke im Kreis Steinfurt liegt das sogenannte Große Heilige Meer. Es handelt sich um den größten natürlichen Binnensee in Nordrhein-Westfalen, der heute ein einzigartiges Naturschutzgebiet mit besonderen Lebensräumen und einer reichen Artenvielfalt ist. Das LWL-Museum für Naturkunde betreibt hier seit 1927 ein Bildungs- und Forschungszentrum, weshalb das Areal zu den am besten untersuchten Naturschutzgebieten Deutschlands zählt.

Das Große Heilige Meer bei Hopsten. wikimedia.commons

Entstanden ist dieses Gewässer durch einen Erdfall, also aufgrund eines plötzlichen Einsturzes des Untergrundes infolge eines durch chemische und physikalische Verwitterungsvorgänge formierten unterirdischen Hohlraums. Dieser bildete sich im Zuge einer grundwasserbedingten Auswaschung von Salz oder Gips. Ereignet haben soll sich der Einsturz der Erde und die anschließende Befüllung mit Wasser zwischen 600 v. Chr. und 900 n. Chr. Genauer kann man es nicht sagen. Wenn das Heilige Meer wirklich mit einem Grenzpunkt in einer Urkunde des Jahres 965 namens „Drevanameri“ identisch sein sollte, wie allgemein angenommen wird, wäre das der früheste sichere Beleg für seine Existenz. Der Name „Heiliges Meer“ erscheint aber erst einige Jahrhunderte später. Doch woher kommt diese ungewöhnliche Bezeichnung eigentlich? Warum heißt der See „Heiliges Meer“? Was ist heilig an ihm?

Soweit bisher bekannt ist, erscheint der Name erstmals im Jahr 1400. In einer Urkunde über den Verzicht des Grafen Nikolaus von Tecklenburg auf Cloppenburg und das Amt Bevergern findet sich in der Grenzbeschreibung zwischen Schapen und dem Kloster Gravenhorst folgende Angabe: „alse van der Oetmersstrate wynte [bis] to dem Hilgenmeere“ sowie „dat hillige meer“ . Aus dem Jahr 1549 stammt dann eine Landesbeschreibung der Herrschaft Lingen, in der es unter Punkt 104 heißt: „Daerbӱ [bei Recke] noch gelegen is een staende meer, genoemt dat Hillige Meer, behoorende halff tot de herrlicheӱt van Lingen, ende halff totten huӱse van Bevergern daer veele vische in sӱn, ende veele wilde vogelen hen onthouden“ (Übersetzung: Bei Recke ist ferner ein stehendes Gewässer gelegen, genannt das Heilige Meer, gehörend halb zur Herrlichkeit Lingen und halb zu dem Haus Bevergern, in dem sich viele Fische befinden und zahlreiche wilde Vögel sich aufhalten). Das Heilige Meer wird zudem in einem Auszug aus einem „Snaed Seddel“, also einem Grenzdokument (Schnad = Grenze) „tusschen dem sticht [Stift] Munster und der Graveschapp Tekelenborch“ aus dem Jahr 1560 erwähnt: „Dat hillige Meer“.

Erstmals wird das Heilige Meer in einem Grenzvertrag aus dem Jahr 1400 genannt. Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen, Manuskripte VII, Nr. 1705.

Auf der Karte des Stifts Münster und der Grafschaft Lingen bei Hopsten von 1564 ist neben dem „kleine[n] Mer“ ebenfalls „Dat hillige Mer“ verzeichnet. Auch auf einer Karte des Bistums Osnabrück aus dem Jahr 1645 ist das „Hillige meer“ als Grenzpunkt zwischen Münster und Osnabrück eingetragen. In hochdeutscher Form erscheint das Heilige Meer dann auf einer Karte der Lingenschen Grenzen zwischen Hopsten und Recke 1770/71 und auf einem Plan mit dem Titel „Des Hochstifts Osnabrück nördliche Aemter mit der obern und niedern Grafschaft Lingen“ aus dem 18. Jahrhundert.

Aufgrund dieser Beleglage führt kein Weg daran vorbei, den Namen Heiliges Meer an das Adjektiv mittelniederdeutsch hillig, neuhochdeutsch heilig ‚heilig‘ anzuschließen. Meer ist übrigens das alte Wort für das, was wir heute als See bezeichnen. Deshalb heißen auch das Steinhuder Meer, das Zwischenahner Meer, das Engelsmeer, aber auch der Dümmer (965: „Dium-meri“) so. Althochdeutsch meri, mittelhochdeutsch mere, mer meint ein stehendes, eingeschlossenes Gewässer oder einen Sumpf. Gleiches gilt für das Niederdeutsche, in dessen Sprachraum die genannten Binnenseen liegen. Allerdings sind in der Vergangenheit andere Erklärungen für den Bestandteil heilig im Namen Heiliges Meer vorgeschlagen worden. Der Ibbenbürener Lehrer Rudolf Dolle (1863–1945) stellte ihn in seinem 1933 zum Thema erschienenen Buch zu niederdeutsch hellig ‚geplagt, geneckt und daher wild geworden, wütend‘ – heute noch „behelligen“ – und vermutete als Benennungsmotiv die plötzliche Entstehung des Erdfallsees, die für die vormodernen Menschen nicht mit rechten Dingen zugegangen sei und ihnen als böses Omen erschienen sein müsse, weshalb sie das Gewässer mit dem negativen Attribut hellig charakterisiert hätten. Der Heimatforscher Friedrich Ernst Hunsche (1905–1994) vermutete 1975 in einem Zeitungsartikel im ersten Teil des Namens ursprünglich ein Eigenschaftswort, das zu altniederdeutsch hol ‚Loch‘, hôla ‚Bruchleiden‘ , mittelniederdeutsch hol ‚Höhle, Loch‘ gehört habe, sodass es sich bei dem Heiligen Meer ursprünglich um ein ‚Bruchmeer‘ (bzw. besser ‚eingebrochenes Meer‘) oder ‚tiefes Meer‘ gehandelt haben könne. Wie auch bei Dolle steht bei dieser Deutung die natürliche Entstehung des Binnensees im Zentrum der Überlegungen.

Allerdings passen beide Erklärungen sprachlich nicht zur Beleglage. Da der Name immer als Hilliges Meer bzw. dat Hillige Meer erscheint, kann weder mittelniederdeutsch hellich, niederdeutsch hellig ‚geplagt, geneckt und daher wild geworden, wütend‘ oder hellig ‚erhitzt‘ noch altniederdeutsch hol ‚Loch‘, hôla ‚Bruchleiden‘, mittelniederdeutsch hol ‚Höhle, Loch‘ bzw. ein dazu gebildetes Adjektiv dem Namenbestandteil hillig zuvorliegen.

Verzeichnet ist das Heilige Meer auch auf einer Grenzkarte zwischen dem Hochstift Münster und der Grafschaft Lingen aus dem Jahr 1564. Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen, Karten A 172.

Man kommt also nicht umhin, den ersten Bestandteil des Namens zu niederdeutsch hillig ‚heilig‘ zu stellen. Diesen Anschluss bestätigen zudem die verschiedenen Varianten der Sage von der Entstehung des Heiligen Meeres. Denn sie versuchen alle als begründende Erzählungen zu erklären, worin denn die Heiligkeit dieses Meeres bestanden habe. An dieser Stelle soll die älteste überlieferte Fassung der Sage vom Heiligen Meer, die angeblich mündlich aus Ibbenbüren überliefert sei und 1825 gedruckt wurde, wiedergegeben werden: „In den Kirchspielen Hopsten und Recke, acht Stunden von Münster, liegt ein großes klares Wasser, welches ganz rund und sehr tief ist, so daß man sogar an etlichen Stellen gar keinen Grund finden kann. In diesem Wasser ist in uralten Zeiten des Nachts bei Sturm und Wetter ein Kloster tief in die Erde gesunken, so daß am anderen Morgen zum größten Erstaunen des Landes ein Wasser gefunden wurde, wo Tags vorher noch ein prächtiges Kloster gestanden hatte. Das neu entstandene Wasser wurde von den Leuten das heilige Meer genannt und hat diesen Namen bis auf den heutigen Tag behalten. Jährlich kommen noch tief aus dem Grunde einige Balken in die Höhe, welche sich von dem Gebäude losreißen und so nach vielen hundert Jahren wieder an das Tageslicht kommen. Auch finden sich in jedem Frühlinge eine Menge von weißen Schwänen auf dem heiligen Meere ein, welche tief aus Norden kommen, eine Zeitlang auf dem Wasser umherschwimmen und dann in ihre Heimath zurückziehen. Es gehen im Volke allerhand geheimnißvolle Sagen umher, was diese Schwäne bedeuten sollen, aber wer kann alle diese wunderbaren Rathschlüsse Gottes erklären und wer die Triebräder des bösen Feindes aufdecken?“ Der Name des Gewässers sei also der Sage nach durch das Versinken eines Klosters motiviert worden, wodurch es als „heilig“ charakterisiert wurde.

Eine andere Version der Sage geht davon aus, dass das Heilige Meer seinen Namen deshalb erhielt, weil es ein vorchristliches Heiligtum gewesen sei: „Im heiligen Meere wohnt die Göttin Frija, die hier ihre besondere Verehrung fand. Die Sage berichtet uns, daß der Göttin eine Christin Ida, eine Tochter vom Gute Venhaus geopfert worden sei. Die Priester dieser Göttin hätten nicht eher geruht, bis sie diese Christin im heiligen Meere ersäuft hätten.“

Es handelt sich also gleichfalls um eine Erzählung, die den Namen begründen will. Doch scheint die zweite Sage erst jünger und im 19. Jahrhundert im Zuge der damals hoch im Kurs stehenden Germanenkunde entstanden zu sein, wie der Inhalt andeutet. Bei dieser Version der Sage liegt somit vermutlich die Erklärung eines damaligen örtlichen Schulmeisters vor, der seine zeitgenössische Vorstellung von der vorchristlich-religiösen Funktion des Gewässers in die Geschichte einfließen ließ – Jacob Grimms „Deutsche Mythologie“, die erstmals 1835 erschien, lässt hier schön grüßen.

Dass für den Namen des Gewässers das Attribut heilig anzusetzen ist, zeigt darüber hinaus die hochdeutsche Übertragung des niederdeutschen Namens Hilliges Meer als ‚Heiliges Meer‘ – denn man kann nur übersetzen, was man versteht oder zu verstehen meint.

Die Weigerung der heimatkundlichen Forschung, den Namen Hilliges Meer/Heiliges Meer zum Wort heilig zu stellen, hängt wohl damit zusammen, dass man sich bisher keinen Reim darauf machen konnte, was denn den Namen ursprünglich motiviert haben könnte, was also das Heilige Meer „heilig“ machte. Doch gibt es eigentlich eine recht einleuchtende Erklärung, abseits von höllischen Höhlen und germanischen Gottheiten: In Flurnamen kann heilig auf kirchlichen Besitz hinweisen. Diese Kennzeichnung konnte sich aber nicht nur auf den sakralen Grundbesitz beziehen, sondern ebenfalls auf kirchliche Funktionsträger (hillige man = Kirchengeschworener) oder sogar auf die hörigen Personen einer kirchlichen Institution (hillige lude). Das Wort heilig war also in historischer Zeit nicht derart ausschließlich auf den sakralen Bereich beschränkt, wie es heute der Fall ist. Das wird darüber hinaus dadurch bestärkt, dass mit diesem Attribut auch Grenzpunkte oder Grenzzeichen benannt wurden. Diese Benennung hängt sehr häufig mit christlichen Flurprozessionen zusammen, die entlang der Grenzen einer Gemarkung führten. So finden wir viele historische Grenzpunkte, die „Hillige Stohl“ (Heiliger Stuhl) genannt wurden. Diese Hilligen Stöhle dienten als Standplatz eines Heiligenbildes bei kirchlichen Flurumgängen – vermutlich eines Abbildes des jeweiligen lokalen Kirchenpatrons. Nach einer Nachricht aus dem Jahr 1595 handelte es sich bei einem Hilligen Stohl um eine auf Pfählen ruhende Steinplatte. An den Hilligen Stöhlen wurde dann, nachdem das Heiligenbild abgesetzt worden war, Messe gehalten. Diese Umgänge bezeichnete man als Hilligendrachten (Heiligentrachten) und führte sie häufig als Fronleichnamsprozession durch. 1466 schenkte etwa der Adlige Wilhelm von Stael der Kirche in Hagen am Teutoburger Wald (Landkreis Osnabrück) eine Wiese und bedung sich als Gegenleistung aus, für ihn zu beten, und zwar: „up allen hilligen stolen dar der Kercken to Hagen tokamen wan man de hilgen drecht“. Ein Zusammenhang von Hilligendracht und amtlichem Grenzgang wird aus einem Dokument von 1569 aus dem Übergangsgebiet von Niederrhein und Münsterland bei Dingden deutlich: „Dese palung [Grenze] darmit erwesen, dat sembtliche ingesetenedes [Eingesessenen des] gerichts Dingden […] darbevor dieselve palung mit dem ambtman also um getogen, ock alle jar ire heiligen dahin tho dregen plegen, […], wie dan dese palung, umb derselven und heiligendracht mit levendigen kunden tho erwiesen [zu erweisen ist].“ Das Tragen der Heiligenfigur bei den Heiligentrachten scheint eine Ehrenpflicht und manchmal mit dem Bauerrichteramt (Bauerrichter = Vorsteher der Bauerschaft) verbunden gewesen zu sein, wodurch gleichfalls die Verquickung von amtlichem Schnadgang und kirchlichem Flurumgang deutlich wird. So heißt es 1535 für Halle in Westfalen, dass der „baurrichter […] einer von denen mennern in der buerschop [sei], und geet sulchs baurrichterampt in der buerschop umme, gleich als man vorzeiten die heiligen zu tragen angenommen haben mag.“

Das Heilige Meer war auch Grenzpunkt zwischen Recke und Hopsten, wie diese Karte von 1770/71 zeigt. Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen, Karten A 258.

Für Westfalen sind Hilligendrachten bzw. kirchliche Flurumgänge seit dem 10. Jahrhundert nachweisbar. Im Jahre 939 erließ die Äbtissin des Klosters Schildesche eine Prozessionsordnung: Jährlich am zweiten Pfingsttag sollte ein Bildnis des Patrons der Kirche von den Gläubigen in den Pfarrdistrikten in langer Prozession umhergetragen werden, wodurch man sich besseres Wetter und reichere Ernten erhoffte.

Im Tecklenburger Land lassen sich drei Hillige Stöhle an Gemarkungsgrenzen ausmachen. Einer von ihnen, der an der Grenze zwischen Lengerich und Lienen lag, wird bereits 1447 in einem Tecklenburgischer Grenzvertrag mit dem Fürstbistum Osnabrück erwähnt. Zwei weitere finden sich auf der Karte der Grafschaft Tecklenburg von August Karl Holsche aus dem Jahr 1788 verzeichnet. Der eine befand sich in Lienen-Holperdorp auf der Grenze zu Bad Iburg (Landkreis Osnabrück), der andere in Hopsten-Schale an der Westgrenze der Gemarkung.

Ein Heiliger Teich, also ein Pendant zum Heiligen Meer, findet in einer Beschreibung aus dem Jahr 1609 als Grenzpunkt zwischen Lienen und Glane (heute Stadt Bad Iburg) Erwähnung. In besagtem osnabrückischen Hagen gab es zudem einen „Hilligen Weg“, der entlang der Grenze verlief und vermutlich als Trasse der Flurprozessionen diente. An diesem Beispiel wird der Zusammenhang zwischen der Flurbezeichnung heilig und kirchlichen Riten besonders deutlich. 1515 berichtete man dann anlässlich einer Grenzbegehung zwischen dem Bistum Münster und der Grafschaft Tecklenburg von einem Grenzpunkt „Hillige Har“. Bei Tecklenburg existierte ferner eine „Hillige Welle“ (zu mittelniederdeutsch welle ‚Quelle‘ ), die 1568 als „bey der Heiligen Wellen am Lengerker Wege“ und 1623/24 als „Item an der Hilgen Welle drei Deiche [Teiche] untereinander“ erscheint, deren genaue Lage aber heute unbekannt ist. Gerhard Arnold Rump nennt 1672 in seiner Beschreibung der Grafschaft Tecklenburg die heiligen Wellen als Heilquelle. Möglicherweise leiteten die Menschen diese Eigenschaft aus ihrem Namen ab. Wie etwa in Lienen eine Johannes Welle neben St. Johans Rasten bzw. Johannes Rast als Haltepunkt der Flurprozession mit dem Kirchenpatron Johannes Baptist gedient hat, so dürfte auch in Tecklenburg die Hillige Welle Station eines lokalen Flurumganges gewesen sein.

Der Zusammenhang von Prozessionen, Grenzgängen und Flurorten, die mit dem Eigenschaftswort heilig gebildet wurden, lässt sich an weiteren Beispielen aus dem Osnabrücker Nordland und dem Tecklenburger Land verdeutlichen: Die Einwohner Quakenbrücks führten vor der Reformation bei ihren Grenzgängen (Schnadzügen) ein Bild der Heiligen Margarethe mit sich. Noch im 17. Jahrhundert trafen sich die Hilligendrachten aus Merzen, Üffeln und Alfhausen am Johannistage (24. Juni) auf dem Hilgenberg im Giersfeld. Dort befand sich ein großer Stein mit einem Loch in der Mitte, in das man die Prozessionsfahne steckte, während die Messe gelesen wurde. Von Alfhausen aus soll dieser Flurumgang noch bis 1850 stattgefunden haben. Zu Pfingsten und zu Fronleichnam fand in Badbergen bis in das 18. Jahrhundert hinein eine Prozession zum Stein auf der „Hillgen Hall“ statt. In einem Ausgabenverzeichnis des Tecklenburger Rentmeisters aus dem Jahr 1511 ist verzeichnet, dass ein Schilling gestiftet wurde „Als men de Hilligen droch“. In Lengerich bei Tecklenburg wissen Überlieferungen von zwei Flurprozessionen mit dem Bildnis der heiligen Margaretha, der einstigen Patronin der Lengericher Kirche. Die eine führte zum Hilligen Stohl in Lienen-Höste, die andere in Richtung Leeden zur Margarethen-Egge, die der Volksmund als „Puppenberg“ (Puppe = Heiligenstatue?) bezeichnete.

Die „Heiligkeit“ von Grenzpunkten dürfte sich zudem durch Steinkreuze als christliches Symbol erweisen. In Bevergern, in der Nähe des Heiligen Meeres, soll bei der Verleihung der Stadtrechte 1366 die Markierung der städtischen Freiheit durch vier steinerne Kreuze erfolgt sein. Der Osnabrücker Jurist, Politiker, Literat und Historiker Justus Möser (1720–1794) spricht in dieser Hinsicht von Bannkreuzen, die er als Schutzzeichen vor fremden Ansprüchen und als Sinnbilder des Gottesfriedens, der in diesen so abgeteilten Bezirken galt, erklärt. Auch das Heilige Meer bei Hopsten war nachweislich ein Grenzpunkt zwischen den Gemeinden Hopsten und Recke, zwischen dem Amt Bevergern und der Obergrafschaft Lingen sowie ursprünglich zwischen den Diözesen Münster und Osnabrück, wie die Karte von 1645 zeigt (s.o.). Neben diesem Heiligen Meer gab es noch ein weiteres, das auf einer Karte von 1716/17 als Grenzpunkt zwischen den Ämtern Langenhagen und Bissendorf eingezeichnet ist. Es handelt sich um den alten Namen des heutigen Muswillensees oder Muswiller Sees (Stadt Langenhagen/Hannover): „mus wilde see oder wildes meer vel heiliges meer“. Die historischen Beispiele haben deutlich gemacht, dass der erste Bestandteil des Namens Heiliges Meer/Hilliges Meer zu niederdeutsch hillig ‚heilig‘ zu stellen ist. Der Name wurde vermutlich durch die Grenzlage motiviert. Die Benennung von örtlichen Grenzpunkten als heilig steht mit kirchlichen Flurumgängen entlang lokaler Gemarkungslinien in Zusammenhang. Die mit dem Adjektiv heilig / hillig gebildeten Namen lassen sich also sehr gut in einem christlichen Entstehungskontext erklären. Einer Konstruktion vorchristlicher Heiligtümer als Benennungsmotiv für diese Örtlichkeiten, wie sie seit dem 19. Jahrhundert auf kaum belegbarer Grundlage immer wieder vorgenommen wurde, bedarf es somit nicht. Sie sind schlicht und ergreifend nicht nachzuweisen. Örtlichkeitsnamen, die mit dem Eigenschaftswort heilig gebildet wurden, enthalten also keinerlei Hinweis auf vorchristliche Kultorte, sondern sind christlich-religiös motiviert.