Das Kochbuch der Anna Winter

„geschrieben auf Beversundern im Jahre 1884“

Das Kochbuch der Anna Winter von 1884

Im Jahre 1988 fand Frau Kathrin Hopp aus Dortmund in einem Abrisshaus in Leipzig-Rendwitz ein handgeschriebenes Kochbuch. Ein Papieraufkleber auf dem vorderen Einband nennt als Verfasserin Anna Winter mit dem Zusatz „geschrieben auf Beversundern im Jahre 1884“. Wie und mit welchen Stationen das Buch in den gut hundert Jahren von Beversundern bis nach Leipzig gelangte, ist unbekannt.

Wilderich von Galen mit Familie 1887 in Beversundern – in den Fenstern das Hauspersonal

1880 hatte die Familie von Galen das Adelsgut in der Emsniederung bei Altenlingen für 54.000 Mark von den Vorbesitzern, der Familie von Morsey-Picard, erworben. Der neue Eigentümer, Graf Wilderich von Galen, stammte vom Haus Assen im südlichen Münsterland, einem Stammsitz seiner Familie. Das Gut Beversundern war vergleichsweise viel kleiner und bescheidener als Haus Assen. Vor 1850 hatte Beversundern mehrfach bürgerliche Besitzer, die das alte Herrenhaus abgebrochen und an seiner Stelle ein einfaches Wohnhaus errichtet hatten.

Blick in das Kochbuch von Anna Winter aus dem Jahre 1884

Unter der Familie von Galen erfolgte ein Ausbau der Gebäude mit einem angebauten Fachwerkturm auf der Ostseite und einem stattlichen Giebel zur Hofseite (diese Bauteile wurden bei später wieder abgebrochen). Von Galen führten auf dem Gut einen großen Haushalt mit vielen Beschäftigten. Hierzu gehörte neben den Mitarbeitern in der Landwirtschaft auch das zumeist weibliche Küchenpersonal.

Kleeblatt und Andachtsbild aus dem Kochbuch von 1884

Junge Frauen aus Stadt und Land machten damals in der Regel eine hauswirtschaftliche Ausbildung, um sich auf ihre spätere Rolle als Hausfrau und Mutter vorzubereiten. Als Ausbildungsstätten kamen neben Privathaushalten auch Krankenhäusern und Klosterschulen in Frage. Eine Besonderheit war es, wenn eine junge Frau die Ausbildung auf einem Adelssitz absolvieren konnte, denn dort gab es häufig Wildgerichte und an besonderen Tagen auch mehrgängige Festmenüs.

Zu diesen Hauswirtschaftsschülerinnen zählte vermutlich auch Anna Winter, zu deren Person weder in den öffentlichen Archiven noch um Gutsarchiv irgendwelche Angaben vorliegen.

„Haussegen“ in dem Kochbuch von 1884

Das Buch, eine linierte Kladde, enthält auf 312 Seiten in sorgsamer Handschrift aufgezeichnete Koch- und Backrezepte. Die Rezepte sind nach Sachgruppen notierte, die Reihenfolge der Gruppen ist offenbar willkürlich. Dies und die Tatsache, dass die Handschrift völlig einheitlich und klar von der ersten bis zur letzten Seite durchläuft, geben wichtige Hinweise zur Entstehung des Buches.

Stück eines Braut- Kommunionschleiers

Es ist kein typisches „Küchentagebuch“, sondern eine Sammlung von Rezepten nach Vorlagen – vermutlich aus Koch- und Backbüchern. Irgendwann hat Anna Winter ihre gesammelten Rezepte dann sauber in die Kladde übertragen.

Handarbeitsprobe in dem Kochbuch von 1884

Der Text enthält keinerlei persönliche Notizen, doch in das Buch sind verschiedene persönliche Dinge eingesteckt, etwa gepresste Blumen, Heiligenbildchen und losen Zetteln mit weiteren Rezepten, ferner ein Teil eines Braut- oder Kommunionschleiers, ein Liederzettel eines Osnabrücker Kegelclubs sowie ein handschriftlicher Haussegen, also ein Zettel mit einem Schutzgebet für Haus und Hof. Es handelt sich dabei vermutlich um persönliche Erinnerungsstücke von Anna Winter, die ohne weitere Angaben zu den beteiligten Personen kaum gedeutet werden können.

Eine Kostprobe aus den rund 250 Rezepten gibt es hier natürlich auch:

„Ragout von wilden Enten!

Man dämpft sie in einer Kasserolle mit Butter gar und schwindet sie in zierliche Stücke. Dann schwitzt man Zwiebeln mit der Butter von den gedämpften Enten, gibt 2 Löffel voll Mehr dazu, lässt es gelbbraun werden, gibt Schü und Essig darauf und thue die zerlegten Enten dazu. Auch wohl Kapern und Gurken.“

Danke, Anna Winter, und danke, Kathrin Hopp.

Na dann: guten Appetit!