Alles kalter Kaffee?

Kaffeetasse aus der Gaststätte Schievink ‚Zur schönen Aussicht‘. Emslandmuseum Lingen.

Plattdeutsch ist für einen Zeitgenossen aus dem hochdeutschen Sprachgebiet oftmals ein Buch mit sieben Siegeln. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass sich das Niederdeutsche lautlich vom Hochdeutschen unterscheidet. Die niederdeutschen Mundarten haben nämlich z.B. die sogenannte Zweite oder Althochdeutsche Lautverschiebung nicht mitgemacht.

Dabei handelte es sich um die Veränderung der stimmlosen Verschlusslaute p, t, k und der stimmhaften Verschlusslaute b, d, g, je nach lautlicher Umgebung im Wort. Und so spricht man auf Platt heute von einem Piärd oder einer Panne(n), wenn man ein Pferd bzw. eine Pfanne meint, von Water, Katte oder Tied, wenn es um Wasser, eine Katze oder die Zeit geht, sowie von Düren, Dagen und Döchter, wenn es Türen, Tage oder Töchter zu bezeichnen gilt. Auch bei den Selbstlauten bestehen Unterschiede, wie der Vergleich von niederdeutsch mien, dien, sien und hochdeutsch mein, dein, sein oder ebenso von Hûs und Haus zeigt (^ kennzeichnet einen langen Vokal).

Dieses Phänomen nennt der Sprachwissenschaftler Neuhochdeutsche Diphthongierung (Diphthong = Doppellaut, Doppelvokal), wodurch aus einem langen Selbstlaut wie etwa û im Hochdeutschen ein au wurde. Dieser Unterschied zwischen Platt und Hoch ist aber noch gar nicht so alt. Wie die Althochdeutsche Lautverschiebung seit etwa 600 n. Chr. ging desgleichen die Diphthongierung – allerdings erst ab dem 12. Jahrhundert – von Süden aus bis in den mitteldeutschen Raum. Doch nicht nur in lautlicher Hinsicht, sondern auch im Wortschatz unterscheiden sich Nieder- und Hochdeutsch, wobei die plattdeutsche Sprache vielfach ältere Verhältnisse bewahrt hat.

Ein solches Beispiel ist etwa die vermeintlich recht unspektakuläre Redeweise vom Köppken Koffäi oder Koffie, das der Emsländer gern morgens oder nachmittags zu sich nimmt. Das entsprechende hochdeutsche Tässchen Kaffee hat eigentlich nur das schwarz-braune belebende Getränk und die Verkleinerungsform gemeinsam. Denn Köppken ist mit der niederdeutschen Verkleinerungssilbe –ken gebildet, die an das Wort Kopp gehängt wurde.

Kaffeegäste bei Schievink. Emslandmuseum Lingen.

Nun wird derjenige, der das plattdeutsche Wort Kopp kennt, vielleicht etwas stutzig werden. Denn dieses bedeutet ja eigentlich Kopf. Ein Köpfchen Kaffee müsste man also wörtlich übersetzen. Und das ist auch ganz richtig so. Diese Wendung erklärt sich nämlich dadurch, dass das Wort Kopf ursprünglich nicht den oberen Bereich des menschlichen Körpers bezeichnete, sondern eine Schale. Das Englische ist dem Niederdeutschen mit cup für Becher, Tasse, Kelch, Körbchen, Pokal (z.B. in Davis-Cup) hier noch sehr nah. Erst über die Erweiterung von Schale zu Hirnschale konnte das Wort die Bedeutung für das Haupt erlangen, den älteren Begriff, der allerdings durch Kopf/Kopp zunehmend verdrängt wurde.

Im Englischen ist diese Entwicklung nicht erfolgt. Hier gilt für den Kopf seit jeher head, das auf altenglisch héafod und schließlich germanisch haubida– zurückgeht und auch Grundlage der deutschen Haupt-Wörter ist. Das schon im Altenglischen bezeugte cuppe > cup meinte immer Becher, Schale. Der Begriff ist übrigens schon sehr früh als Lehnwort aus dem Lateinischen in die germanischen Sprachen gekommen. Die cûpa oder cuppa war ein römischer Becher. Hier spielte der Kulturkontakt mit den Römern eine Rolle, die ja sowohl am Rhein mit Köln (Colonia Agrippina) und Mainz (Mogantiacum) saßen als auch nach Britannien gelangten und hier eine Provinz gründeten.

Kaffeekränzchen im Schein der Gaslampen (um 1900). Emslandmuseum Lingen.

Im Plattdeutschen hat sich also die ursprüngliche neben der jüngeren Bedeutung des Wortes Kopf bis heute erhalten, die im Hochdeutschen gänzlich verdrängt wurde, im Englischen aber anscheinend niemals aufgekommen ist. Das Niederdeutsche steht hier somit mittig zwischen Englisch und Hochdeutsch.

Alles kalter Kaffee?