Weihnachten früher

Weihnachten um 1920

Das christliche Weihnachtsfest erinnert an die Geburt Jesu Christi im Stall von Bethlehem, wie sie im Neuen Testament geschildert wird. Obwohl das genaue Datum in der Bibel nicht überliefert ist, feierten schon die frühen Christen die „Geburt des Herrn“ als hohen Feiertag, dessen Termin jedoch umstritten blieb.

Im 4. Jahrhundert legte die römische Kirche aufgrund verschiedener theologischer Überlegungen den 24. Dezember als Datum für die Geburt Christi fest. Andere Kirchen behielten ältere Festtermine bei oder blieben nach Kalenderreformen beim alten Datum. Christmetten und feierliche Gottesdienste mit viel Gesang bestimmen die kirchlichen Feiern an den Weihnachtstagen. Ursprünglich war Weihnachten ein reines Kirchenfest. Erst mit der Entstehung der bürgerlichen Familien entwickelte es sich zu einer Familienfeier mit vielen häuslichen Bräuchen. Weihnachtsbäckerei und Adventsfeiern, Adventskranz und Adventskalender, Tannenbaum und Geschenke, Festessen und Weihnachtslieder wurden zu festen Bestandteilen der Adventszeit und der privaten Familienfeiern zu Weihnachten.

Aber wie feierten die Menschen früher Weihnachten? Der folgende Blogbeitrag wirft ein paar Schlaglichter:

Weihnachten hieß früher „Middewinter“

Das Weihnachtsfest ist bis heute in einen größeren Festkreis eingebettet, der vom ersten Advent bis zum Dreikönigstag oder sogar bis Mariä Lichtmess reicht. Diese Häufung von Festtagen weist auf den hohen Stellenwert des Weihnachtsfestes im christlichen Festkalender hin. In den katholischen Gegenden Nordwestdeutschlands gehört Weihnachten nicht ohne Grund neben Ostern, Pfingsten und Mariä Himmelfahrt auch zu den sogenannten „Vierhochtiden“, also zu den vier höchsten kirchlichen Feiertagen. Seinen Aufstieg nahm das Fest der Geburt Christi allerdings erst rund drei Jahrhunderte nach dem irdischen Wirken des Heilands. Erst auf dem Konzil von Nicäa 325 n. Chr. wurde das Fest neben das ältere Epiphanias, die Offenbarung Christi, das am 6. Januar begangen wurde, gesetzt. In der Folge verdrängte das Christgeburtsfest das Offenbarungsfest, das sich seinerseits im Mittelalter zum Dreikönigsfest wandelte. Nach Nordwestdeutschland kam das Weihnachtsfest an der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert mit der Christianisierung des Gebietes der Sachsen, die diese Region bewohnten, und Eingliederung in das Frankenreich durch Karl den Großen. Der Festtermin, also der 25. und 26. Dezember, ist aber nicht das wirkliche Geburtsdatum Jesu Christi, sondern Weihnachten wurde auf diesen Zeitpunkt gelegt, um ältere „heidnische“ Feiern und Bräuche zu überlagern, die sich in vielen Kulturen um die Wintersonnenwende drehten. Auch die mehrere Götter verehrenden alten Sachsen feierten vor ihrer Christianisierung um 800 die längste Nacht des Jahres, die die Mitte des Winters markierte. Das ist daran zu erkennen, dass das Weihnachtsfest in Nordwestdeutschland noch im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit „Middewinter“ hieß. In den plattdeutschen Mundarten hielt sich diese Bezeichnung bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Ausdruck „Weihnachten“ ist übrigens aus der adjektivische Wendung „ze wihen naht“ entstanden, die Ende des 12. Jahrhunderts erstmals erscheint und „zu der heiligen Nacht“ bedeutet: „Er ist gewaltic unde starc, der ze wihen naht geborn wart: daz ist der heilige krist.“ Der Begriff „Weihnachten“ drang erst im Laufe der Zeit aus dem Hochdeutschen auch in das Niederdeutsche ein.

Der Erste Weltkrieg bringt den Weihnachtsbaum nach Nordwestdeutschland

Er ist heute das Hauptsymbol von Weihnachten und das Fest ohne ihn kaum denkbar: der Weihnachtsbaum. Doch ist er in Nordwestdeutschland noch gar nicht so alt, wie man meinen könnte. Ein gabentragender Baum war bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in einigen Städten Mitteleuropas bekannt. Er entstammte dem Zunftwesen. Der Baum war damals noch nicht mit Lichtern geschmückt, sondern nach einem Bericht aus dem Jahr 1605 mit Rosen aus buntem Papier, Äpfeln, Oblaten und Zuckerwerk. Bereits eine Kritik an einem übermäßigen Weihnachtsbaumbrauchtum aus der Mitte des 17. Jahrhunderts macht deutlich, dass Weihnachtsbäume vor allem für die Kinder hergerichtet wurden. Wenn er auch im zünftischen Rahmen entstanden zu sein scheint, übernahmen zunächst der Adel und das Bildungsbürgertum den Weihnachtsbaum in die weihnachtliche Feier im Kreise der Familie. Am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird er dann zunehmend allgemeiner von Bürger- und Handwerkerfamilien aufgegriffen. In Nordwestdeutschland war der Weihnachtsbaum um diese Zeit noch auf die Bevölkerung in evangelischen Gebieten und die katholische Oberschicht begrenzt. Erst in der Zeit des Ersten Weltkrieges übernahm ihn auch die katholische Landbevölkerung des Münsterlandes. Zur Verbreitung des Weihnachtsbaumes auf dem Lande trugen vor allem Pastöre, Kaufleute, Schmiede, Apotheker und Wirte bei, die ihn als Werbemittel nutzten.

Entscheidend für die Übernahme des Weihnachtsbaumes in unserem Gebiet war aber der Erste Weltkrieg, in dem die Soldaten aus den verschiedenen Regionen miteinander in engen, längeren Kontakt kamen, so dass ein kultureller Austausch stattfinden konnte. So heißt es in einem Bericht aus Rheine-Catenhorn: „Der Baum bürgerte sich nach dem Ersten Weltkrieg hier ein. Die Soldaten hatten ihn bei der Truppe kennengelernt. Ich selbst stand zum erstenmal unter dem Weihnachtsbaum 1917 als Soldat etwa 2000 m hoch in einer wilden Bergschlucht der Karpathen. Es brannte an der etwa 5 m hohen Fichte vielleicht ein Dutzend Kerzen, die aber sehr bald abgenommen wurden, um später noch unsere Unterstände erleuchten zu können.“ Gerade der Weihnachtsbaum und das Weihnachtsfest wurden von der deutschen Obersten Heeresleitung zur Motivationssteigerung der Soldaten eingesetzt.

Die Ausbreitung des Weihnachtsbaumes in Nordwestdeutschland wurde zudem dadurch behindert, dass vor 1900 Tannen oder Fichten recht selten waren. Erst an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde die schnellwachsende Fichte verstärkt kultiviert. Der Weihnachtsbaum konnte also nun erst als günstiger Artikel auf den Markt kommen und somit auch breitere Bevölkerungskreise erreichen.

Weihnachten – Das Fest der Schweinsköpfe

Die Weihnachtsgans, die Pute oder der Karpfen sind für viele der Inbegriff eines traditionellen Weihnachtsfestschmauses. Doch bürgerten sich in unseren Breiten diese weihnachtlichen Festspeisen erst an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein. Bereits in vorindustrieller Zeit zeichnete sich ein hoher Festtag neben der kirchlichen Feier vor allem durch ein reichhaltiges Festmahl aus. So wird bereits im 17. Jahrhundert die Weihnachtszeit in Westfalen folgendermaßen beschrieben: „Also ging damalen / wie auch annoch in diesen Tagen / gleich wieder die große Kaukenweke [Kuchenwoche] an / wobei gebacken und gegessen wurde von Christfest bis nach Dreikönigen hin.“ In manchen Regionen Nordwestdeutschlands wurde der 24. Dezember auch als „Dickbuuksabend“, „Vullbuksawend“ oder „Dickefriätersabend“ bezeichnet. Das Sattessen, das ein wichtiger Bestandteil des Weihnachtsfestes war, stand also bei diesen Benennungen Pate. Das zeigt auch der Spruch: „Christtag bäckt jedermann, Ostern wer eben kann und Pfingsten nur der reiche Mann.“

Da im November und Dezember gewöhnlich die Schweine geschlachtet wurden, stand in der Weihnachtszeit genügend Fleisch für ein Festmahl zur Verfügung. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass in Westfalen und im Emsland nicht Gans, Pute oder Karpfen, sondern Teile des Schweins auf den Tisch kamen. Im Münsterland spielte zu Weihnachten vor allem der Schweinskopf eine bedeutende Rolle. Bereits nach dem Frühgottesdienst, der sogenannten Uchte, kam der geräucherte und gekochte Schweinskopf auf den Tisch. Hinter die Schwarte wurden Pfeffer und Zwiebeln geschoben. Andernorts wurde ein halber Schweinskopf einige Tage vor Weihnachten zusammen mit einem Stück Schinken gekocht. Der Schweinskopf wurde dann in einen mit Zwiebeln versetzten Essigsud eingelegt. In der Region war Weihnachten also auch das Fest der Schweinsköpfe. Beliebt war auch nur der gekochte Schinken. In Burgsteinfurt scherzte man daher über Kirchgänger, die eilig nach dem Gottesdienst am ersten Weihnachtsfeiertag nach Hause gingen: „Se sind drock up’n Schinken.“ In Altenberge verabschiedete man sich nach dem Gottesdienst mit den Worten: „Gueden Appetit, auk an’n Schinken.“ Dass Schweinskopf und Schinken die traditionellen Festtagsgerichte Westfalens waren, zeigt auch anschaulich die Darstellung des heiligen Abendmahls im Oberlichtfenster des Nordportals der Kirche Maria zur Wiese in Soest, auf der beides nicht fehlt. Bei ärmeren Leuten gab es vor 1900 zu Weihnachten Grünkohl mit Mettwurst oder Sauerkrauteintopf mit Mettwurst. Das sprichwörtliche „Fleesk in Potte“, das an Weihnachten nicht fehlen durfte, konnte auch aus Mettwurst, Schinken oder zumindest Speck bestehen.