Alte Osterbräuche in der Region

Das Osterfest rückt näher und mit ihm auch das Vollziehen einer Vielzahl von Osterbräuchen – allen voran das Osterfeuer.

Osterfeuer

Im 19. Jahrhundert war man der festen Überzeugung, dass die Osterfeuer aus germanischer Zeit stammten und von der Kirche im Sinne der Verbreitung des Christentums vereinnahmt wurden. Doch ist die Forschung heute der Ansicht, dass die Osterfeuer ein rein christlicher Brauch sind. Diese Meinung vertrat schon der Volkskundler Franz Jostes in seinem 1904 erschienenen Westfälischen Trachtenbuch.

Angeblich früher Beleg

Doch immer wieder kann man zur Osterzeit in populären Medien lesen, dass ein erster Beleg für die Osterfeuer aus dem Jahr 751 stamme. Und diese frühmittelalterliche Quelle beweise zudem deren nichtchristlichen, sondern vielmehr germanischen Ursprung. Bei dem besagten Zeugnis handelt es sich um einen Brief des Papstes Zacharias (741–752) an den „Germanen-Missionar“ Bonifatius († 754 oder 755). Schaut man sich allerdings den Inhalt des Schreibens genauer an, so antwortet der Pontifex lediglich auf die Frage des Bonifatius, was es mit dem „igne paschali“ auf sich habe. Die Antwort des Papstes lässt allerdings keinen Zweifel offen, dass es sich hier nicht um ein „Osterfeuer“ handelte, sondern um ein mit Öl versorgtes Osterlicht, das – nach Aussage des Kirchenoberhauptes – bereits am Gründonnerstag entzündet und drei Tage lang innerhalb des Gotteshauses befeuert werde: „Von diesen Leuchten“ werde „am heiligen Samstag für das heilige Taufwasser das Feuer vom Priester geholt“, so Zacharias. Das damals erwähnte „ignis paschalis“ hat also rein gar nichts mit den späteren hölzernen Osterfeuern zu tun, die für den niedersächsisch-westfälischen Raum überhaupt erstmals 1342 als Neustiftung nachgewiesen werden können. Und auch der christliche Bedeutungsrahmen im angeblichen Beleg von 751 ist nicht zu übersehen.

Missverständnisse

Dass den Osterfeuern von späteren Forschern ein nichtchristlicher Ursprung zugeschrieben wurde, hängt ferner mit der Wortwahl in den obrigkeitlichen Erlassen zu ihrer Eindämmung zusammen. Diese tauchen im 17. Jahrhundert zunächst in protestantischen, später ebenfalls in katholischen Gebieten auf. In ihnen ist zu lesen, dass die Osterfeuer wegen der mit ihnen einhergehenden „heidnischen“ und „abergläubischen“ Bräuche verboten werden sollten. Gemeint waren damit aber keine vorchristlichen Praktiken. „Heidnisch“ oder „abergläubisch“ bezog sich vielmehr auf das weltliche Treiben, das sich um den religiösen Brauch entwickelt hatte. Auch wenn die germanischen Völkerschaften – wie viele andere Kulturen – so manches Frühjahrsfeuer abgebrannt haben mögen, so lassen sich die Osterfeuer nicht auf diese zurückführen. Dass die Feuer zu Ostern immer schon ein rein christlicher Brauch waren, zeigt zudem ihr alter Name. Denn in Westfalen und angrenzenden Gebieten – so auch im Lingener Land – wurden sie früher in plattdeutscher Mundart als „Pauskefüer“ oder „Paoskefüer“, der Holzhaufen selbst als „Pauskeburg“ bezeichnet. Hier findet sich der alte, in der Region typische Begriff für Ostern wieder: Pausken/Paosken. Anders als Ostern handelt es sich dabei um keinen deutschen Begriff, sondern um ein Lehnwort – und zwar aus der Kirchensprache Latein. Das lateinische „Pascha“ für Ostern geht wiederum auf das das hebräische Wort „Pésach“ zurück. Das Pessach-Fest erinnert als einer der wichtigsten Feiertage im Judentum an den Auszug der Israeliten aus Ägypten und gilt somit als Vorläufer des christlichen Osterfestes. Der lateinische Ausdruck Pascha wurde durch die niederdeutsche Zunge zu Pausken/Paosken umgeformt. Dass das höchste christliche Fest in Westfalen, im Emsland, im Rheinland und in den Niederlanden nicht Ostern, sondern Pausken/Paosken beziehungsweise Pasen heißt, führt bereits bis in die Zeit der Christianisierung zurück. Denn die beschriebenen Regionen wurden von Köln aus missioniert und in dieser Kirchenprovinz wurde das Wort Pascha für das Osterfest bevorzugt.

Übrigens: Wie der Name des Festes Ostern mit einer angeblichen Göttin der Germanen namens Ostara verstrickt wurde, ist in einem anderen Beitrag auf unserem Blog nachzulesen [HIER].

Einführung und Verbot

Wie bereits erwähnt, lässt sich ein Osterfeuer im niedersächsisch-westfälischen Raum überhaupt erstmals 1342 nachweisen. Graf Konrad von der Mark schenkte damals der Antonius-Bruderschaft in Hörde einen Weinberg. Dafür sollte sie „up hillige Paschendag“ ein Feuer entzünden und Gott für die Erlösung vom Teufel danken. Das Osterfeuer erscheint hier also als christliche Stiftung, die offenbar keinen Vorgänger hatte, also eine Neuschöpfung. Doch dürfte bei dem ursprünglich frommen Brauch des Osterfeuers in Nordwestdeutschland schnell das weltliche Treiben überhandgenommen haben. Denn die Osterfeuer etwa in der Grafschaft Tecklenburg wurden – wie auch die Feuer andernorts seit dem 16. Jahrhundert – bei ihrer ersten schriftlichen Erwähnung 1691 von der evangelischen Kirchensynode bereits wieder in Frage gestellt: „18. Ob nicht die Osterfeuer in dieser Grafschaft gänzlich müssen abgeschaffet und bei Strafe verboten werden?“ wird auf einer Synode am 10. Juni 1691 in Lienen gefragt und zugestimmt.

1716 wurden dann das Aufschichten und Abbrennen von Osterfeuern in den preußischen Gebieten Westfalens – also auch in den Grafschaften Lingen und Tecklenburg – bei Gefängnisstrafe verboten. Danach scheinen die Osterfeuer eingestellt worden zu sein und wurden erst im 19. Jahrhundert wiederbelebt, wie das Beispiel Tecklenburg zeigt. 1852 stiftete hier der Kommerzienrat Meese 200 Taler, von deren Zinsen das Holz für ein Osterfeuer auf dem Kalten Berg finanziert werden sollte.

Ursprünglich hatte jede Nachbarschaft ein eigenes Feuer. Genutzt wurde dazu das Abfallholz, das bei dem winterlichen Beschneiden der Wallhecken und Obstbäume anfiel. Nur im Dorf wurde ein gemeinschaftlicher Holzstoß entzündet. Dabei kam es zur Konkurrenz um das größere Feuer und deshalb auch häufig zum vorzeitigen Abbrennen des jeweils anderen Holzstapels, wenn dieser nicht streng bewacht wurde.

Osterei und Osterhase

Der Brauch, an Ostern Ostereier zu verspeisen, hat seinen Ursprung in einer zu diesem Termin fälligen Abgabe. Vor allem an Klöster waren zu dieser Jahreszeit Zins-Eier abzuliefern, die dann auf der Festtagstafel der Nonnen und Mönche landeten. Hinzu kam, dass Eier in der Fastenzeit nicht verzehrt werden durften. So sammelte man die in dieser Zeit anfallenden Eier, kochte sie, um sie haltbar zu machen, und hatte dadurch zu Ostern einen größeren Bestand, der verzehrt werden musste. Für den westfälischen Bereich ist das Verspeisen von Eiern zu Ostern wohl erstmals Ende des 15. Jahrhunderts fassbar (das Dokument stammt entweder aus dem Jahr 1487 oder 1498). Die Freckenhorster Schwestern bekamen damals neben anderen Lebensmitteln zwei Eier als Festtagsration. Nach 1570 erhielten nachweislich auch die Freckenhorster Ministranten (Messdiener) an Ostern ein Ei. 1690 ist bezeugt, dass die Mönche des Klosters Iburg an Ostern sogar gefärbte Eier (ova colorata) zum Abendessen bekamen. Aus dieser herrschaftlichen Abgabe entwickelte sich dann auch in der bäuerlichen Bevölkerung der Brauch, Eier zum Osterfest zu verschenken. Das Sammeln von Eiern vor Ostern durch Bauernkinder ist bereits in Werner Rolevincks „Buch zum Lobe Westfalens“ erwähnt, das 1478 erschienen ist.

Der Osterhase – in anderen westfälischen Regionen auch der Fuchs oder der Kranich  – als Überbringer der Ostereier ist erst seit dem 17. Jahrhundert bezeugt.

Eierkollern um 1965 am Kiesberg.

Osterspiele

An vielen westfälischen Orten fanden mindestens seit dem 19. Jahrhundert am Ostermontag Spiele und Wettkämpfe (Ball- oder Kegelspiele) statt, die vielfach von den Jugendlichen durchgeführt wurden. Aber auch Spiele rund um das Osterei waren weit verbreitet. Im Lingener Land kannte man das Eierkollern: An einem Hang wurden kunstvolle Bahnen in die Erde geformt, auf denen die Kinder die Eier möglichst weit hinunterrollen ließen. In Lingen fand das Kollern in den Anlagen der Wilhelmshöhe statt. In Laxten bot der Kiesberg die entsprechende Lageenergie, in Schepsdorf waren es die großen Dünen, die sogenannten „Schepsdorfer Alpen“.

Auch das „Eierbicken“ – niederdeutsch bicken heißt ‚hauen, dengeln, mit einer Spitze klopfen, picken, aufbrechen‘ – oder „Eierticken“ kannte man nicht nur in Lingen. Dabei wurden zwei Eier aneinandergeschlagen. Wessen Ei intakt blieb, war der Sieger und bekam das andere Ei. Es soll vorgekommen sein, dass die Hühner in den Tagen zuvor mit einer extra Futterration „gedopt“ wurden, damit die Eier eine dickere Schale bekamen und dem Schlag standhielten. Gemogelt wurde wohl auch mit einem Gips-Ei, was aber oftmals aufflog.

1924 berichtet der Theologe und Ethnologe Wilhelm Schmidt (1868–1954) über das Eierbicken in Lingen, wie er es zu seiner Gymnasialzeit zwischen 1875 und 1888 erlebte und wie es in einem Brief des Jahres 1924 beschrieben wurde: „Wenn dann der zweite Feiertag gekommen war, ging ich mit Bekannten nach der sog. ‚Höhe‘ [heute Wilhelmshöhe]; es war das die Wirtschaft, wo das Eierpicken stattfand. Von dem Getriebe, das hier herrschte, kann sich keiner einen Begriff machen, der es nicht selber erlebt hat; es wird drastisch beleuchtet durch einen Satz, den mir kürzlich eine Verwandte in einem Briefe schrieb: „Am zweiten Ostertag geht alles, was noch 25 Pf[ennig]. übrig hat, zur ‚Höhe‘. Karussells dienen der Belustigung des Publikums, Marktbuden waren aufgeschlagen, und Händler mit Körben boten Eier feil. Zum Anfang wurde nicht viel gekauft, denn jeder hatte ein gewisses Quantum von Eiern von zuhause mitgenommen; erst wenn dieses verspielt war, erstand man neuen Vorrat. Sobald man nun an Ort und Stelle angelangt war, scholl einem der ‚Schlachtruf‘ entgegen: ‚Spitz auf stumpf?‘. Damit bot sich jemand zum Picken an. Willigte man ein, so geschah folgendes: Der eine der beiden Kontrahenten nahm sein Ei so in die Hand, daß der stumpfe Teil oben war. Alsdann schlug der andere Spieler mit der Spitze seines Eies auf das des anderen, um zu erproben, wessen Ei die stärkere Schale besäße. Nachdem das festgestellt war, wechselten die Rollen. Derjenige, der zuerst geschlagen hatte, mußte nun sein Ei dem anderen zum Schlage darbieten. Ergab sich am Ende, daß jemand das Ei des zweiten an beiden Enden zertrümmert hatte, so war er der Sieger, und zum Lohne erhielt er das zerschlagene Ei. So erfreute man sich den Nachmittag über; am Abend wurde getanzt. Aus dieser Tatsache ersieht man, daß sich nicht bloß Kinder am Picken vergnügten, wie in Aschendorf, sondern auch erwachsene Leute. Am Osterdienstag wurde das Picken fortgesetzt, doch nicht mehr von allen Bewohnern, sondern mehr von den besser situierten Kreisen.“ Im benachbarten Tecklenburger Land warf man am Ostermontag gelb gefärbte Eier mit voller Kraft in die Höhe, die dann herunterfallend heil bleiben mussten, um zu gewinnen.

Na dann – Frohe Ostern!