Pressefreiheit vor 75 Jahren

Den Nazis keine Chance

Dieses Dokument vom 22. September 1945 erlaubt Bernhard Nottbeck 1945 den Verkauf von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern

Am 5. August 1945 gehen für den Luftwaffensoldaten Bernhard Nottbeck Krieg und Kriegsgefangenschaft zu Ende. Im Zivilberuf betreibt der damals schon 48 Jahre alte Lingener …

Schreibwaren- und Büroartikelgeschäft in der Burgstraße (heute „Bürobedarf Nottbeck“). Dort warten seine Frau und seine Kinder schon sehnsüchtig auf den Familienvater.

Die Engländer, die ihn in Kriegsgefangenschaft genommen haben, sind sich sicher, dass sie hier keinen Nazi und keinen fanatischen Soldaten vor sich haben, von dem irgendeine Gefahr für sie ausgeht. Sie wissen: Männer wie Bernhard Nottbeck werden gebraucht, um ein demokratisches Deutschland wiederaufzubauen.

Nachrichtenkontrolle 1945 – Bedingungen für die Verbreitung von Medien

Sechs Wochen später, am 22. September 1945, erhält Nottbeck eine Lizenz der Britischen Militärverwaltung zum Verkauf von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern in seinem Ladenlokal. Doch damit sind erhebliche Auflagen verbunden. Nottbeck muss sich verpflichten, alle Anordnungen des Nachrichtenkontrollamtes der Militärregierung strick einzuhalten. Insbesondere darf er keine Druckschriften, Musikalien oder Tonträger verkauften, die

a) nationalsozialistische oder ähnliche „völkische“ Ideen einschließlich Rassenkunde und Rassenhass verbreiten

b) faschistische oder antidemokratische Ideen verbreiten

c) Uneinigkeit zwischen den Vereinten Nationen schaffen

d) militärische, einschließlich großdeutsche und deutsch-imperialistische Ideen verbreiten

e) zum Aufruhr oder zur Unruhe anstiften

Es folgen Bestimmungen für den Druck von Veröffentlichungen, den Verleih und die Vorführung von Filmen sowie die Zurverfügungstellung von Räumen für Theater-, Musik- und sonstige Aufführungen.

Am Ende heißt es: Jede Musik ist verboten, die militärische Ideen zum Ausdruck bringt oder die mit der NSDAP, dem Faschismus, großdeutschen Ideen oder der Deutschen Wehrmacht in irgendeinem Zusammenhang steht.

Der Britischen Militärregierung war damals klar, dass nur ein demokratisches Deutschland ein friedliches Deutschland sein würde. Und Voraussetzung für eine Demokratie ist die Freiheit der Meinung und der Medien. Vor 75 Jahren war jedoch selbstverständlich, dass dies nicht für die gerade erst besiegten Nationalsozialisten und ihre völkische, rassistische, militaristische und demokratiefeindliche Ideologie gelten durfte. Die Folgen hatte ja ganz Europa gerade erst gespürt und mit Millionen unschuldigen Toten bezahlt.

Genau 75 Jahre versuchen Neonazis mit Reichskriegsflaggen den Deutschen Bundestag im Reichstagsgebäude zu stürmen. Es ist kaum zu glauben, wie dreist mitten in Deutschland ein offener und verdeckter Neo-Nationalsozialismus Einzug gehalten hat, der die demokratischen Freiheiten schamlos ausnutzt, um seine Ideologie mit der Verherrlichung von Rassismus, Gewalt und Militarismus wieder auf die Straße, in die Parlamente sowie in die alten und vor allem in die Neuen Medien zu tragen.

Damals waren die Bedingungen der Anweisung Nr. 1 zur Nachrichtenkontrolle der Britischen Militärregierung in Deutschland wohl das einzige Mittel, um dem entgegenzutreten.

Das Emslandmuseum dankt Herrn Ludwig Nottbeck für die Überlassung der historischen Dokumente aus dem Nachlass seines Vater