Die Atmosphäre dunkel, der Tanz wild und ausdrucksstark

Das „Lord Nelson“ in Lingen

Unter den Fischernetzen im Lord Nelson

Ende der 60er-Jahre eröffnete an der Nordstraße in Lingen die Diskothek „Lord Nelson“. Das Lokal war anfangs als feiner Laden geplant und

Anzeige des Lord Nelson in der Kivelingzeitung 1975

in der ersten Zeit herrschte dort sogar Anzugpflicht. Das änderte sich allerdings rasch und nach einiger Zeit brauchte man dort keine Krawatte mehr tragen. 1969 übernahm dann Klaus Leonhard das „Nelson“ und führte das Lokal durch die wilden Zeiten der 70er-Jahre.

Ein Zeitzeuge erinnert sich:

„In der ersten Zeit hatten die Gäste im Nelson noch paarweise getanzt. Dann kam aber die Musik neuer Bands wie Pink Floyd, Led Zeppelin, Deep Purple mit ihren ganz langen Stücken auf, zu denen man eigentlich nicht mehr tanzen konnte. Diese Musikrichtung nannte man Underground. Auch die Atmosphäre im Nelson wurde dunkel, der Tanz wild und ausdrucksstark. Bald galt das Nelson als „Haschbunker“ und gelegentlich fand dort eine Razzia statt.“

Livekonzert im Nelson

Ein anderer Zeitzeuge erinnert sich:

Normalerweise machte die Diskothek gegen 18 Uhr auf. Dann war so bis 20 Uhr tote Hose und es lief einfach so Musik. Man unterhielt sich oder beschäftige sich an den Spielautomaten. Unterhalten war möglich, weil man damals in den Diskotheken noch gar nicht solche starken Lautstärken machen durfte wie heute, nicht mal annähernd. Wenn man mal ein bisschen an der Anlage rumschraubte, dann hatte man schon die Polizei vor der Tür stehen.

Vor allem im Sommer, ohne Klimaanlage, musste man mal ein Fenster oder eine Tür aufmachen. Das war sowieso eine Sache für sich: die Gäste hingen dann alle draußen auf dem Rasen rum, auf der anderen Seite war noch eine parkähnliche Anlage, mit einem großen hohlen Eichenbaum. Da drin wurde gerne mal ein Feuer gezündet, bis die Feuerwehr kam.

Nach dahin verlagerte sich dann auch der Drogenhandel. Im Laden selbst wurde das nicht geduldet. Wer ein Problem mit Drogen hatte, der durfte an sich in keine Diskothek gehen, aber das Lord Nelson war deutschlandweit bekannt wegen der Drogenszene. Da wurden auch harte Drogen gehandelt, allerdings nicht im Laden drin. Oder man ist nicht dahintergekommen.

Einige versuchte durch das Rauchen von Teeblättern den Geruch von Haschisch zu überdecken. Beim Erwischen gab es eine Ermahnung und wenn die meinten: „der kann uns mal“, dann sind die rausgeflogen und bekamen Lokalverbot. Gehandelt wurde draußen, das hat man auch öfters gesehen, aber Anzeigen war nicht, denn 1. war die Polizei nur halbherzig interessiert, und 2. das ständige Antanzen vor Gericht war auch keine gute Beschäftigung in der Freizeit.

Bei harten Drogen ist es was anderes gewesen. Da liefen auch gefährliche Leute rum, die kamen dann aus dem Ruhrpott oder aus Berlin, und das waren dann die Dealer, die die kleinen Dealer versorgten. Dienstags konnte man das immer merken, dann hing alles was im Laden war ziemlich durch und ab 19 Uhr waren dann alle total high und hatten sich „ihren Schuss gesetzt“. Man kannte irgendwann auch diejenigen, die Drogen stark konsumierten.

In der ersten Zeit war um 1 Uhr nachts Schluss in der Disco, Polizeistunde in Lingen und deutschlandweit, und Anfang der 80er ging es dann werktags bis 2 und an Wochenenden und vor Feiertagen bis 3 Uhr. Das war aber auch das Äußerste der Gefühle. Montags war Ruhetag.

Das Lord Nelson war innen mit Fischnetzen ausgestattet. Dahinter steckte folgende Geschichte: In Düsseldorf gibt es bis heute ein Lord Nelson, und das war von Anfang an ein „Edelschuppen“. Und genauso ist das Lord Nelson hier in Lingen auch eröffnet worden. Das waren Leute aus Nordhorn, die richtig viel Geld in den Laden gesteckt haben. Und das war auch vor der Zeit der Drogen. Super schick, nicht nur die Netze, sondern auch Steuerruder zwischen den einzelnen Sitzabteilungen. Dort wurde auch mehr gehobene Popmusik gespielt.

Dann hat man irgendwann gemerkt, dass diese Idee mit dem Schicken nicht ankam. Die Besitzer haben das Nelson dann an Klaus Leonhardt verkauft. Die Schönheit des Ladens hatte sich dann unter dem neuen Eigentümer und mit neuem Publikum schnell erledigt. Es wurde dann nochmal eine große Renovierung vorgenommen. Jeder hat die Hände über den Kopf zusammengeschlagen, denn er hatte ca. 100.000 Mark investiert um den Laden wieder auf Vordermann zu bringen. Aber das hat nicht lange gedauert und es sah wieder so schlimm aus wie vorher. Das Geld hätte er sich sparen können.

im Nelson gab es Disko-Kugeln, die von den Netzen über der Fläche hingen, und die konnte man über Schalter ein und ausschalten und so eine Lichtshow machen. Nur eine bestimmte dieser Kugel hatte eine andere Aufgabe: wenn die an war, dann wussten die Konsumenten dass es „Frisches“ gab.

Irgendwann war der Punkt wo das so aber nicht weiterging und dann wurde gesagt, dass im Nelson nicht mehr gekifft wird. Das dauerte gut zwei Monate bis es alle mitgekriegt hatten, dass es ernst gemeint war, durch diverse Rausschmisse etc.