Erinnerungen an das erste Volksfest der Kivelinge
Anno Domini 1372, also vor genau 650 Jahren, wurde in Lingen das erste Kivelingsfest gefeiert, das sich seitdem alle drei Jahre zu Pfingsten wiederholt. Am 4. und 5. Juni 2022 ist es endlich wieder so weit. Das erste Volksfest der Kivelingen wurde 1928 gefeiert.
Anlass des Festes, das damals noch Heimatschau genannt wurde, war die 600-Jahrfeier der Stadt Lingen im Jahre 1928. 1935 wurde die Schau dann in etwas veränderter Form erneut aufgebaut und durchgeführt.
Den Schauplatz bildeten der Innenhof und der Park des früheren Anwesens Narjes auf der Ecke Marienstraße/Lookenstraße. Dort stand bis zu seiner Zerstörung im Frühjahr 1945 das sogenannte Drostenhaus, erbaut 1646 vom damaligen niederländischen Drosten (Landrat) der Grafschaft Lingen, Rutger von Haarsolte.
Später wohnten in diesem stattlichen Gebäude die Unternehmerfamilien Langschmidt und Narjes. Ende der 1920-Jahre wurde das Haus mit der schönen Backsteinfassade umfassend restauriert, aber schon im April 1945 bei den Straßenkämpfen um die Lingener Innenstadt restlos zerstört.
Neben dem Drostenhaus stand ein aufwendig gestalteter Torbogen, dessen Schlussstein mit einem grimmig blickenden Löwenkopf verziert war. Darum nannte man ihn im lingener Volksmund den Machuriusbogen. Auch er sank 1945 in Trümmer, wurde aber 1961 von der Kivelingssektion Lütje Fente am Pulverturm wieder aufgebaut.
Auf dem Rückgrundstück des Drostenhauses befand sich eine geräumige Scheune mit einer Durchfahrt. Sie hat den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden, wurde aber Ende der 60er-Jahre für den Neubau eines Geschäftshauses abgebrochen. Ein Torbogen mit der Jahreszahl 1697 aus diesem Gebäude wurde als Eingangsportal am Justizgarten wieder aufgebaut.
Die Durchfahrt der Scheune führte in Narjes Park, ein weitläufiges Gartengelände, dass sich bis zur heutigen Poststraße erstreckte und parkartig gestaltet war. Hof und Park bei Narjes bildeten 1928 und 1934 den stimmungsvollen Schauplatz der Heimatschauen der Kivelinge. Es gab eine alt-emsländische Bauernstube mit historischem Hausrat und Mobiliar sowie weitere historische Wohnräume.
Ein Landsknechtszimmer, eine Waffenkammer mit Hieb- und Schusswaffen sowie eine Offiziersstube mit dem Zahltisch für die Söldner erinnerten an die Festungsstadt Lingen und die militärische Tradition der Kivelinge. Alle Besucher wunderten sich, wo die Kivelinge all diese Schätze zusammengetragen hatte. Viele Antiquitäten stammten aus der Kunstsammlung des Lingener Bahnhofswirtes Carl Johannsen, der auch die Gestaltung und Einrichtung der Ausstellungsräume übernommen hatte.
Belebt wurde die Ausstellung durch kostümierte Kivelinge und Marketenderinnen in Volkstrachten und Landsknechtsuniformen, was der Heimatschau einen besonderen Reiz gab. Das weitläufige Außengelände bot Platz für Musik- und Theateraufführungen von Gruppen in historischen Kostümen, Chöre und Volkstanzgruppen. Auch für das leibliche Wohl wurde gesorgt. Es war eigentlich alles schon wie auf dem heutigen Volksfest der Kivelinge und schon damals zogen die Heimattage viele tausende Besucher nach Lingen.
Daran mögen sich manche Altkivelinge noch erinnert haben, als 1972 zur 600-Jahrfeier erneut ein historisches Volksfest ausgerichtet wurde. Nun allerdings nicht mehr bei Narjes, sondern in den Straßen und auf den Plätzen der historischen Innenstadt. Es wird seitdem alle drei Jahre veranstaltet. Die UNESCO hat den „Bürgersöhne-Aufzug zu Lingen „Die Kivelinge“ von 1372“ im Jahr 2018 in das Verzeichnis des immaterellen Kulturerbes in Deutschland aufgenommen und ihm damit die höchste Anerkennung verliehen, die ein historischer Brauch in erreichen kann. Na dann: Fröhliches Fest!