Vom Kasernenbau bis zum Kriegseinsatz
Die Lingener Kasernen waren über mehrere Jahrzehnte ein wichtiger Faktor im Leben der Stadt. Gebaut als Wehrmachtskasernen dienten sie nach dem Zweiten Weltkrieg als Lager für gestrandete Displaced Persons und später als Standort der Bundeswehr. Heute befindet sich dort der Ems-Auenpark. An die Anfänge der Kaserne erinnert die 135. Folge der Serie „Achtung, Aufnahme!“.
Im Rahmen der Aufrüstung Deutschlands unter den Nationalsozialisten wurde 1933 auch Lingen als Standort einer neuen Wehrmachtskaserne in den Blick genommen. Ein großes Heide- und Dünengeländer zwischen Ems und Kanal bildete ein ideales Gelände für den Bau einer großen Militäranlage mit Fahrzeughallen und Unterkünften, Sportanlagen und Übungsflächen.
Jenseits der Ems bot sich der Lohner Sand als Truppenübungsplatz und für den Bau von Schießständen an. Am Ufer der Ems konnten die Pioniereinheiten Flussübergänge trainieren.
Gebaut wurden ab 1934 auf Grundstücken, die man vom Grafen von Galen zu Beversundern erworben hatte, die „Walter-Flex-Kaserne“ für das 1. Bataillon des Infanterie-Regiments 37 sowie die „Scharnhorst-Kaserne“ für die 1. Abteilung des Artillerie-Regiments 6. Das hügelige Gelände wurde eingeebnet und zur Emsniederung hin ein Plateau aufgeschüttet, um die Kasernen vor Hochwasser zu schützen.
Im März 1935 feierte man Richtfest und Anfang Oktober erfolgte mit der Ankunft der Artillerie die offizielle Einweihung. Außerhalb des eingezäunten Kasernenbereiches entstanden ein Heeresverpflegungslager und die Standortverwaltung, etwas später die Schießanlagen im Schepsdorfer Wald und die Militär-Badeanstalt.
Ende April 1936 besuchte Generalfeldmarschall Werner von Blomberg höchstpersönlich die neue Kasernenanlage.
Als die ersten Wehrmachtsoffiziere ihre Quartiere bezogen, stellte sie entsetzt fest, dass sie nun eine Postadresse in der Landgemeinde Darme besaßen. Das war unzumutbar und so wurde der nördliche Zipfel von Darme mit dem Kasernengelände nach Lingen umgemeindet.
Die Berufssoldaten und das Offizierskorps waren bald eine feste Größe im gesellschaftlichen Leben der Stadt. Der friedliche Lingener Marktplatz diente immer wieder als Aufmarschplatz für martialische Wehrmachtsparaden und die Vereidigungen der Rekruten.
Beliebte Anlässe für Wehrmachtsaufzüge waren zudem der „Heldengedenktag“ im Frühjahr und der „Führergeburtstag“ im April. Auch an den Festzügen zum 1. Mai beteiligten sich die Wehrmachtssoldaten. Die Militärsportfeste der Soldaten zogen viele Besucher aus Stadt und Umland auf das Sportgelände der Kasernen.
Zu den Wehrmachtseinheiten in Lingen gehörte auch eine Militärkapelle mit starker Besetzung und guten Musikern.
Sie schmetterte bei den Paraden und Aufmärschen, spielte bei den Offiziersbällen auf der Wilhelmshöhe, gab aber auch Konzerte auf dem Marktplatz und in den Hallen des Eisenbahnwerkes.
Beliebt waren besonders die „Wunschkonzerte“, die seit Kriegsbeginn 1939 für etwas Ablenkung vom trüben Kriegsalltag bieten sollten.
Schon beim Bau der Militäranlagen hatte viele Lingener Firmen Aufträge erhalten. Die Kasernen boten aber auch dauerhaft viele zivile Arbeitsplätze im beliebten Staatsdienst, wobei bevorzugt Nationalsozialisten eingestellt wurden.
Doch die Stimmung war trügerisch und die Aufrüstung diente allem anderen als der Verteidigung der deutschen Grenzen. Während des Zweiten Weltkriegs waren die in Lingen stationierten Truppen zunächst am Überfall auf Polen, dann 1940 bei den Kämpfen in Westeuropa und schließlich am Krieg gegen die Sowjetunion beteiligt. Die freigewordenen Quartiere wurden durch verschiedene Wehrmachtseinheiten genutzt.
Auf dem Schießstand in Schepsdorf vollstreckten Wehrmachtssoldaten auch Todesurteile gegen belgische Widerstandskämpfer und Geiseln aus Luxemburg. Daran erinnert heute ein Gedenkort in Schepsdorf.