Kreisstadt im Wirtschaftswunderland

Mit der Erschließung der Erdölfelder im Emsland und dem Bau der Raffinerie in Holthausen entwickelte sich in den 50er-Jahren ein zweites industrielles Standbein in Lingen. Damit begann eine Zeit des Wohlstands und der Expansion.

Die im Krieg zerstörten Straßenzüge wurden rasch wieder aufgebaut und mit den neuen Kaufhäusern in der Lookenstraße war Lingen bald die größte und beliebteste Einkaufsstadt im Emsland.

Durch die Verlegung der „Deutschen Schachtbau“ von Salzgitter nach Lingen und mit dem Aufbau der Erdölraffinerie entstanden zahlreiche neue Arbeitsplätze.

Neue Wohngebiete wurden errichtet, darunter das Siedlungsgebiet „Heukamps Tannen“ im Norden der Stadt.

Die Wohngebiet wurde wegen seiner großzügigen Grüngürtel damals auch als „Grunewaldsiedlung“ bezeichnet wurde.

Neue Kirchengemeinden und neue Kirchengebäude für katholische und evangelische Christen entstanden.

Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten gründeten eigene Betriebe in Branchen, die man bis dahin in Lingen nicht kannte.

In Lingen bildete sich ein breiter Mittelstand mit Familienunternehmen im Bereich des produzierenden Gewerbes.



Arbeitsplätze für Frauen schafften die neue gegründete „Lingener Wäschefabrik“ von Merswolke und Vehr, später unter dem Namen „Lincron“ bekannt.

Unter dem Namen Lincron errichtete dieses Unternehmen Anfang der 50er-Jahre an der Waldstraße eine Großnäherei und ein modernes Verwaltungsgebäude.

Dieses damals völlig neuartige Bürogebäude, errichtet vom bekannten Architekten Zobel aus Bentheim, steht heute unter Denkmalschutz und ist jetzt Sitz der Stadtwerke Lingen.

Durch die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeiten hatten die Menschen nun mehr Freizeit, die sie in ihren Gärten und Wohnzimmern, in den zahlreichen Gaststätten und vor dem Fernseher verbrachten. Aber das Programm lief anfangs nur wenige Stunden am Tag – und natürlich in schwarz-weiß. Für die Verbreitung von Radio und Fernsehen sorgte der neue Sender Lingen mit dem Funkturm am Hessenweg.

Auf dem Absteigenden Ast befand sich allerdings die Eisenbahn. Schon 1952 musste die Kleinbahn Lingen-Berge-Quakenbrück ihren Betrieb mangels Rentabilität einstellen. 1956 wurde das Wagenwerk an der Stelle der heutigen Emslandhallen geschlossen. Dank moderner Diesel- und Elektroloks ging auch der Betrieb in der Lokomotivwerkstatt Ende der 50er-Jahre schon deutlich zurück.

Vielen Straßen und Brücken waren nach der Sprengung beim Kriegsende zunächst provisorisch wiederaufgebaut worden und zeigten sich dem wachsenden Schwerlastverkehr nicht mehr gewachsen. Die Kanalbrücke in Altenlingen stürzte 1951 unter einem Lastzug ein und die B 70 war tagelang nicht befahrbar. Die B 70 wurde 1957 für den zunehmenden Autoverkehr ausgebaut.

Eine schier unlösbare Aufgabe für die Stadtplanung war die Bewältigung des rasch zunehmenden Autoverkehrs in Lingen. Der Durchgangsverkehr auf den Bundesstraßen wälzte sich damals noch tagtäglich durch die engen Straßen der Innenstadt und über den Marktplatz.

Da an den Bau einer Ring- oder Umgebungsstraße vorläufig nicht zu denken war, versuchte man mit Straßenausbauten und Einbahnstraßen der Blechkarawane Herr zu werden.

Der populäre „Volksprediger“ Pater Leppich, das sogenannte „Maschinengewehr Gottes“, trat auf dem alten Pferdemarkt vor tausenden Katholiken auf und mahnte sie vor den Versuchungen der Moderne. Hierzu zählte offenbar auch der Film „Die Sünderin“ mit einer kurzen Nacktszene von Hildegard Knef. Die Aufführung des Films sollte in Lingen unterbunden werden. Doch ein richterliches Urteil erlaubt die Aufführung und die Moralapostel standen am Ende blamiert da.