Ein Stück Lingener Kaffeehausgeschichte
Wolfgang Glaeser (Jahrgang 1928) hatte schon viele leidvolle Erfahrungen gemacht, als er 1946 seine berufliche Laufbahn als Bäcker und Konditor begann. Als 15-jähriger Schüler des Gymnasiums Georgianum wurde er zum Dienst als Flakhelfer auf den damaligen Luftwaffenflugplatz Plantlünne beordert und musste dort zwei Jahre lang unter großen Gefahren Kriegsdienst leisten. Ausgestattet mit einem sogenannten Kriegsabitur musste er dann zum Pflichteinsatz beim Reichsarbeitsdienst und kam kurz vor Kriegsende noch zur Wehrmacht. Nach wenigen Wochen Kriegsdienst an der Ostfront geriet er in russische Kriegsgefangenschaft. Fast anderthalb Jahre blieb er in Gefangenschaft, doch er hatte Glück im Unglück. Als Helfer auf einem Bauernhof in Tschechien wurde er gut behandelt und kehrte 1946 wohlbehalten nach Lingen zurück. Der mittleweile 96-jährige Gläser pflegt bis heute noch regen Briefkontakt nach Tschechien.
Bald musste er feststellen, dass sein Kriegsabitur nicht anerkannt wurde und an ein Studium nicht zu denken war. Angesichts der schlechten Versorgungslage riet ihm sein Großvater zu einer Bäckerlehre, denn als Bäcker hätte man immerhin Brot und Mehl. Auch an die damaligen Schwarzmarktgeschäfte mit Lebensmitteln rund um den Lingener Bahnhof kann Glaeser sich noch gut erinnern.
Seine Lehre machte er bei der Bäckerei Kemper an der damaligen Lookenstraße. Im Café Schmidts am Domhof in Osnabrück absolvierte er eine zweite Ausbildung als Konditor und sammelte anschließend weitere Berufserfahrungen in Leer, auf Borkum, in München und in der Schweiz. 1954 machte er seine Meisterprüfung und trat 1958 in seiner Heimatstadt Lingen eine Stelle als Bäcker- und Konditormeister im Café Mörker an der Marienstraße an.
1965 eröffnete Glaeser mit seiner Frau eine eigene Konditorei an der Waldstraße, die bei der Kundschaft bald sehr beliebt war.
1968 übernahmen die Eheleute Glaeser zusätzlich von der Familie Mörker-Elpert, die keine Nachfolger hatten, das alteingesessene Café Mörker in der Marienstraße.
Dieses im modernen Stil der 50er-und 60er-Jahre eingerichtet Café war seinerzeit ein sehr beliebter Treffpunkt für die Lingener Gesellschaft.
Die Ausstattung der Räume und die damals neuartigen Drehsessel mit moderner Farbigkeit spiegelten den Zeitgeist und die Aufbruchstimmung der Nachkriegsjahrzehnte.
Der parallele Betrieb der beiden umsatzstarken Geschäfte forderte jedoch einen hohen Einsatz der Inhaber. Café und Bäckerei waren praktisch jeden Tag geöffnet, sogar am ersten Weihnachts- und Ostertag. So gaben Glaeser 1978 das Café in der Marienstraße auf und konzentrierten sich auf die Bäckerei in der Waldstraße.
Frühzeitig erkannte Wolfgang Glaeser die zunehmende Konkurrenz durch die neuen Brotfabriken und Supermärkte. Auch ein Nachfolger aus der Familie war nicht in Sicht. 1981 gab er seine Bäckerei auf und übernahm mit seiner Frau das Kurfcafé auf Norderney, das er bis zum Eintritt in den Ruhestand führte.