Gotteshaus hat eine bewegte Geschichte
Die Bonifatiuskirche ist als Gotteshaus, aber auch als Ort von Orgelkonzerten und Choraufführungen weit über Lingen hinaus bekannt. Weniger bekannt ist ihre bewegte Geschichte und vor allen der Wandel ihrer Innenausstattung im Laufe der letzten 150 Jahre, den viele alte Fotos im Archiv des Emslandmuseums dokumentieren.
Nachdem die lingener Katholiken im 17. Jahrhundert zur Zeit der oranischen Herrschaft ihr Gotteshaus an die reformierte Gemeinde abgeben mussten, erhielten sie erst 1718 die Erlaubnis, sich an der Stelle des heutigen Kolpinghauses ein schlichtes Kirchhaus zu errichten. Es durfte lediglich aus Fachwerk bestehen und außerdem keinen Turm, keine Glocken und keine Orgel besitzen.
In den Jahren 1833 bis 1836 entst-and dann die heutige Bonifatiuskirche im eleganten Baustil des Klassizismus antiker Prägung. Der Baumeister Josef Niehaus wählte als monumentale Bauform zwei Kolonadenreihen aus Säulen mit toskanischen Kapitellen, die ein gewaltiges Tonnengewölbe tragen. Hinzu treten im Chorbereich elegante Rundbögen und unter der Orgelempore dorische Säulen.
Einen Turm besaß die Kirche von 1836 ursprünglich nicht und auch der Chorraum war ganz anders gestaltet als heute. Dort stand als Hochaltar ein riesiger Säulenportikus mit einer lebensgroßen Kreuzigungsgruppe in der Bildhauerart der klassischen Antike.
Erst 1905 entstand nach Plänen von Prof. Ludwig Becker aus Mainz, der den dortigen Kaiserdom restauriert hatte, eine neue Turmpartie im romanischen Stil mit einem 64 Meter hohen Hauptturm, der seitdem ein Wahrzeichen der Stadt bildet. 1907 folgte die Erweiterung des Chorraums im Baustil der Neuromanik mit einer aufwendigen Bogendekoration. Auch zwei Sakristeien wurden damals angebaut, von denen die eine heute als Andachtsraum dient.
An die Stelle der fein akzentuierten klassizistischen Ausstattung trat damals eine üppige Neueinrichtung im Stil des Historismus. Die Fenster erhielten farbige Verglasungen nach mittelalterlichem Vorbild. Den neuen Hauptaltar und die beiden Nebenaltäre schuf der Bildhauer Heinrich Seling aus Osnabrück.
Sie zeigen außer den qualitätvoll gearbeiteten Heiligenfiguren Reliefs mit biblischen Darstellungen und reich vergoldete Ornamente. Zur damaligen Ausstattung gehörten ferner eine passende Kommunionbank, Beichtstühle und eine Kanzel, die an einer der vorderen Säulen angebracht war. An den Pfeilern und Wänden stellte man zahlreiche Heiligenfiguren auf. Der gesamte Raum erhielt schließlich eine dekorative Ausmalung im mittelalterlichen Stil, vergleichbar der heutigen Kirche in Bawinkel.
Schon in den 1920er-Jahren empfand man diese Ausmalung als zu bunt und zu dunkel. Man übermalte sie daher mit einem schlichten Anstrich.
Für den Chorraum entwarf der Künstler Theo Landmann 1932 zwei Wandteppiche mit Bildszenen aus dem Leben des Heiligen Bonifatius.
Im Zweiten Weltkrieg gingen die großflächigen Kirchenfenster größtenteils zu Bruch und wurden in den 50er-Jahren durch die jetzigen Fenster mit den Apostel- und Heiligenbildern ersetzt. Nach der Liturgiereform in den 60er-Jahren wurden die Kanzel und die Kommunionbank entfernt. Der Chorraum erhielt 1969 eine Neugestaltung. Teile der Altäre wurden abgebaut und eingelagert. Aus dem Unterbau des bisherigen Hauptaltars entstand ein neuer Altartisch. Hinzu kamen ein Ambo und ein Tabernakel aus Bronzeguss in moderner Gestaltung. Beide sind heute nicht mehr erhalten. Gleichzeitig wurden auch die Chorfenster im modernen Stil gestiftet.
Bei einer großen Kirchenrenovierung 1994 wurden die alten Altäre restauriert und in der früheren Form wieder aufgestellt. Einen neuen Altartisch, das Ambo und den Taufsteil gestaltete der Künstler Johann Baptist Lenz aus der Eifel. Aus dieser Zeit stammt auch die Neuausmalung der Kirche, die bei der Renovierung 2021 erneuert wurde. Bereits 2010 erfolgte eine Neugestaltung der Turmhalle und des hinteren Bereiches der Kirche mit großformatigen Glaswänden, die der Künstler Oswald Krause-Rischard mit symbolischen Zahlen und abstrakten Motiven dekorierte.