1570 erschien der erste Weltatlas – mit einer Karte der Grafschaft Lingen
Vor genau 450 Jahren, nämlich 1570, erschien im Verlag von Abraham Ortelius in der damaligen Weltmetropole Antwerpen der erste moderne Weltatlas mit Kartenbildern aus …
allen damals bekannten Erdteilen. Der flämische Verleger gab die Karten bei verschiedenen Autoren als Vorzeichnungen in Auftrag und ließ sie dann in seiner Antwerpener Druckwerkstatt grafisch prachtvoll aufbereiten.
Ortelius dokumentierte auf diese Weise das gesamte kartographische Wissen der Renaissancezeit und hatte damit auf dem Buchmarkt einen durchschlagenden Erfolg. Bis 1624 gab es über 30 immer wieder ergänzte und aktualisierte Neuausgaben und bis in das 18. Jahrhundert wurden seine Karten Karten abgekupfert und nachgedruckt.
Auch Lingen und das Emsland sind auf mehreren Kartenblättern in dem voluminösen Sammelwerk zu finden. Eine originale Karte Nordwestdeutschlands von 1570 aus diesem Atlas befindet sich in der Sammlung des Lingener Emslandmuseums. Das außergewöhnlich gut erhaltene Exemplar zeigt die damaligen Fürstbistümer Osnabrück und Münster sowie im Zentrum die Stadt und die Grafschaft Lingen. Weitere verzeichnete Orte sind z.B. Salzbergen, Embüren, Elbergen, Hesepe und Meppen, alles wichtige Etappenorte entlang der „Friesischen Straße“, sowie die Schlösser Herzford und Venhaus. Nicht alle Ortschaften wurden auf der Karte in ihrer richtigen Lage dargestellt. So ist Schepsdorf an der falschen Emsseite eingetragen und Emsbüren erscheint gleich zweimal: einmal links der Ems als Büren und einmal rechts des Flusses als Emsbüren.
Autor der Karte war Gottfried Maschop, ein Kartograph aus Emmerich am Niederrhein. Dass er eigene Vermessungen im Emsland durchgeführt hat, ist sehr unwahrscheinlich. Die Grundlage seiner Karten waren Landesbeschreibungen, grob ausgeführte ältere Landkarten und die damals weit verbreiteten Entfernungstabellen. Maschop hatte bereits 1568 eine Karte des Bistums Münster herausgegeben, die heute als verschollen gilt. Bald darauf erweiterte er die Karte um das Bistum Osnabrück und damit waren große Bereiche Nordwestdeutschlands abgedeckt. Diese Karte wurde 1570 von Ortelius unter dem Titel: Monasteriensis et Osnabrugensis Episcopatus Descriptio“ (Beschreibung der Bistümer Münster und Osnabrück) in seinen Atlas aufgenommen.
Hergestellt wurde die Karte vor 350 Jahren in Antwerpen in der sogenannten Kupferstichtechnik. Der Druck erfolgte dabei mittels einer gravierten Kupferplatte in schwarz auf weiß. Wurde eine farbige Version der Karte gewünscht, so musste von Hand koloriert werden. Ein aufwendiges Verfahren, aber auf diese Art und Weise konnte man auf der gleichen Druckversion unterschiedliche Themen darstellen, etwa Länder und ihre Grenzen, Verkehrswege oder Naturräume.
Die Karte aus dem Atlas von Ortelius vermittelt, je nach Kolorierung, einen anschaulichen Einblick in die politischen Grenzen, Räume und Machtverhältnisse ihrer Zeit, aber auch in Natur und Landschaft. Hintergrund der damaligen Entwicklung der Kartografie waren nicht nur die Fortschritte im Vermessungswesen und den Drucktechniken. Die steigende Nachfrage nach Karten spiegelt auch die militärischen Ereignisse jener Zeit. 1568 hatte der Freiheitskampf der Niederlande gegen die spanischen Habsburger begonnen, in dem auch die Festung Lingen und die östlichen Nachbarregionen der Niederlande, also der Raum Osnabrück-Münster, eine wichtige Rolle spielten. Informationen über die Lage von Städten und ihre Umgebung, wichtige Fernstraßen und Naturräume waren für militärische Planungen von großem Nutzen.
Es ist schon bemerkenswert, dass eines der ältesten datierten Stücke im Emslandmuseum ausgerechnet ein Blatt Papier ist, das von seinem damaligen Druckort Antwerpen den Weg nach Lingen gefunden hat.