„Mehr Männer für die Torfgewinnung“

75 Jahre Niedersachsen – Brennstoffmangel beherrschte den Alltag

Torfstich im Hahnenmoor im Sommer 1946

Schon im Winter 1945/46 waren die Kohlen knapp. Doch für den Winter 1946/47 kündigte sich eine Katastrophe an. Viele Zechen waren zerstört und wo sie wieder in Gang kamen, ging die Kohle

Torftransport per „Gummiwagen‘ im Sommer 1946

als Reparationsleistung ins Ausland. Aus dem schlesischen Kohlenrevier kam gar nichts mehr, denn dort waren jetzt die Polen. Und von dort, aus Schlesien, stammte auch der Lingener Stadtdirektor Mainka, der in seinem Schreiben vom Frühjahr 1946 auch gleich auf den Punkt kam:

„Die Versorgung mit Brennmaterialien für das neue Kohlenwirtschaftsjahr (1.4.1946 – 31.3.1947) ist mit den allergrößten Schwierigkeiten verbunden. Es ist nicht damit zu rechnen, dass, wie im abgelaufenen Jahr, grössere Mengen Brennholz hierfür zur Verfügung stehen.

Meine Bemühungen, Stich- und Presstorf zu beschaffen, erfordern meinerseits die Gestellung von gesunden, kräftigen, Männern. Diese Männer müssen für die Sommermonate, wahrscheinlich bis September in die Kreise Meppen, Bentheim bezw. Aschendorf geschickt werden, um dort bei der erforderlichen Torfgewinnung mitzuarbeiten. Sie werden in Baracken mit Sammelverpflegung untergebracht und werden hinsichtlich der Lebensmittelzuteilung mit dem Bergbau gleichgestellt. Meine Bemühungen, die erforderlichen Arbeitskräfte durch das Arbeitsamt zu beschaffen, sind restlos fehlgeschlagen.

Wenn also Brennstoff beschafft werden soll, dann bleibt mir kein anderer Weg übrig, als dass sich hiermit den Betrieben die Auflage machen muß, sich an die Gestellung dieser Arbeitskräfte zu beteiligen…“

Die Bereitschaft der Betriebe und Behörden, gesunde, kräftige Männer zum Einsatz mit dem Spaten ins Moor zu schicken, war allerdings gering. So meldete etwa das Kataster Lingen, dass die dort angeforderten 2 Einsatzkräfte nicht gestellt werden könnten. Die Jüngeren befänden sich noch in der Ausbildung und müssten dringend kriegsbedingte Rückstände aufholen, die Übrigen seien aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, die Torfarbeiten auszuführen. Diese Angaben waren durchaus glaubhaft, denn die Generation der Leistungsträger im arbeitsfähigen Alter war größtenteils im Krieg geblieben oder schuftete noch irgendwo in der Kriegsgefangenschaft. Mainkas Idee der Zwangsrekrutierung erwies sich als undurchführbar.

Immerhin waren jetzt alle Betriebe und Behörden gewarnt, dass mit Brennstofflieferungen seitens der Stadt im kommenden Winter nicht zu rechnen sein und jeder auf eigene Initiative setzen müsse.

Handtorfstich in der Nachkriegszeit

Im Juli 1947, die Torfsaison war schon in vollem Gange, erschien in der Osnabrücker Rundschau ein verzweifelter Appell der Stadt Lingen unter der Schlagzeile „Mehr Männer für die Torfgewinnung“. Darin wurde auf die dramatisch verschlechterte Brennstoffversorgung hingewiesen. Es sei nicht möglich, die fehlenden Kohlen durch Brennholz zu ersetzten und daher bleibe nur die Brenntorfgewinnung. Alle Bemühungen, die hierfür notwendigen Arbeitskräfte zu rekrutieren, seien aber vergeblich gewesen. Wer sich jetzt noch dazu entschließen könne, erhalte günstige Lohn-, Arbeits- und Verpflegungsbedingungen sowie drei Tonnen Torf für den eigenen Haushalt.

Frerener „Freiwillige“ im Heseper Moor im Sommer 1946

Verwiesen wurde auch darauf, dass im Heseper Moor noch die Möglichkeit bestehe, im Selbststich Torf für den eigenen Haushalt zu beschaffen. Dass taten viele Emsländer damals und zogen mit Sack und Pack in das Moor, um Brenntorf zu stechen.

Im Dalum-Wietmarscher Moor, im Heseper Moor und auf dem Twist, aber auch im Hahnenmoor und in der Speller Dose entfalteten sich unbewohnte Aktivitäten. Aus Torfkuhlen und Torfbänken wurde der Torf gestochen und dann zum Trocknen auf- und umgeschichtet. Mit Pferd und Wagen – Treibstoff war noch knapper als Kohlen – wurden die brennfertigen Torfstücke Richtung Lingen, Meppen, Freren und eigentlich überall hingefahren. Die sengende Hitze im Moor, wo kein Baum und kein Strauch Schatten bot, war im Hochsommer kaum auszugehalten. Doch alle wussten: der nächste Winter kommt bestimmt. Und diese Erfahrung war wichtig, denn der Winter 1946/47 wurde ein Jahrhundertwinter, und das in schwerer Zeit.

Fuhrwerke mit Torf auf der Dalumer Brücke, Sommer 1946