Schleuse, Wehr und Dille

Die alte Emsschifffahrt bei Listrup

Ausflüger auf dem Pfeiler im Listruper Wehr

Beim „Wiener Kongress“ 1815 kam das Münsterland an das Königreich Preußen und das Emsland an das Königreich Hannover. Beide Staaten verpflichteten sich 1820, die stark versandete Ems auf ihrem jeweiligen Gebiet wieder ganzjährig mit schiffbar zu machen. Damit setzte bald reger Schiffsverkehr ein. An die alte Emsschifffahrt an der Schleuse Listrup erinnert unser heutige Beitrag.

Das Listruper Wehr mit der Klappe und der Fischtreppe, um 1950

Oberhalb von Lingen war in den Sommermonaten der Schiffsverkehr auch mit den kleinen, hölzernen Emspünten nur möglich, wenn man den Wasserstand des Flusses durch große Stauwehre anhob. So entstanden die Wehre in Hanekenfähr und Listrup. Sie waren zunächst aus Holz gebaut und wurden später in Stein erneuert.

Blick auf das Listruper Wehr, um 1950

Damit die Schiffe das Listruper Wehr passieren konnten, baute man hier eine Umfahrung mit einer Schleuse, die 1828 in Betrieb ging. Die 25 Meter lange und but vier Meter breite Schleusenkammer besteht aus haltbarem Bentheimer Sandstein. Die erhaltenen hölzernen Schleusentore werden bis heute von Hand über Kurbeln und Zahnstangen angetrieben. An der oberen Außenmauer der Schleuse sind zwei Relieftafeln angebracht. Sie zeigen das Wappen des Königsreichs Hannover mit der Datierung 1828 sowie die Initialen König Georgs des Vierten mit der gleichen Jahreszahl.

Ausflugsgesellschaft mit Lehrer Wallmann, um 1925

Befahren wurde die Ems damals von hölzernen Schiffen mit einem flachen Kiel, den sogenannten Pünten. Sie verkehrten zwischen Greven bzw. Rheine im Süden und fuhren im Norden bis auf die Nordsee. Flussabwärts konnte man die Pünten treiben lassen, flussaufwärts wurden sie mit einem Segel angetrieben oder getreidelt, also von einem Pferd gezogen.

Mit der Eröffnung des Dortmund-Ems-Kanals (1898) ging der Bedeutung der oberen Ems als Schifffahrtsweg stark zurück. Heute dient sie fast ausnahmslos der Freizeitschifffahrt. Das Wehr in Listrup wurde 2007 zu einer „rauen Rampe“ umgestaltet. Fische und andere Flussbewohner können so die Staustufe überwinden. Unterhalten werden das Emswehr und die Schleuse vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Ems-Nordsee mit Sitz in Meppen und Emden durch den Außenbezirk Rheine.

Die Dille zur Zeit der Pächterfamilie Schüring, um 1955

Gleichzeitig mit der Errichtung der Schleuse baute 1825 der Bauer Gravel auf dem benachbarten Flurstück „Dille“ eine kleine Schenkwirtschaft, mit der er vom aufkommenden Schiffsverkehr profitieren wollte. Er verpachtete sie an verschiedene Wirte, die landläufig als „Dillenwirt“ bezeichnet wurden. Einer von ihnen, der frühere Püntenschiffer Esders aus Haren, verdiente mit dieser Gaststätte tüchtig Geld, so dass der Besitzer Bauer Gravel den Ausschank 1879 selber übernahm und seine Landwirtschaft verpachtete. Er war als Gastwirt aber nicht sehr erfolgreich und musste die Dille bereits 1885 an den Nachbarn Seybering verkaufen. Pächter auf der Dille wurden nun das aus Sendenhorst stammende Ehepaar Rothkötter. Der Wirt betrieb gleichzeitig eine Lohndrescherei und baute später am Bahnhof in Emsbüren eine Sägemühle – die Keimzelle der Firma Rothkötter. Seine Frau führte die Gastwirtschaft und versorgte die Gäste nicht nur mit Schnaps und Bier, sondern auch mit Schinkenbutterbroten, Rühr- und Spiegeleiern.

Durstige Gäste vor der Dille

1901 bezog die Pächterfamilie Schüring die Gaststätte in der Dille und betrieb das Lokal bis 1968. Das Haus wurde dann abgebrochen. Die Lage auf halber Strecke zwischen Lingen und Rheine machte die Dille nicht nur bei den Emsschiffern, sondern auch bei Ausflüglern sehr beliebt. Viele Gäste kannte die Wirtefamilie persönlich und das Lokal hatte geradezu Kultstatus. Manch einer bekommt heute noch Durst, wenn er an der Dille vorbeikommt. Denn Dille bedeutet „enge Stelle“ und erinnert damit an einen Flaschenhals. Nomen est Omen.