„Lingen 1700“

Eine Kaminplatte aus der Oranierzeit in der Grafschaft Lingen

Kaminplatte ‚Lingen 1700‘ aus dem früheren Müllerhaus in Schapen

Im früheren Müllerhaus der „Vaalmannschen Mühle“ in Schapen befindet sich eine alte Kaminplatte mit einer seltenen Darstellung. Sie war früher an der Rückseite der Herdwand im alten Müllerhaushaus angebracht und wurde später an dem Kamin im heutigen Wohnhaus übernommen.

Das Wappen des Königs von Großbritannien

In der Mitte zeigt sie das bekrönte Wappen des Königs von Großbritannien mit einem oranischen Löwen, umschlossen von einem Band mit dem Motto des Hosenbandordens.

Gerahmt wird dieses Motiv von Pflanzenbündeln, die sich aus einer Kartusche mit einem Diamantquader entwickeln.

Detail des Schriftzugs ‚Lingen 1700‘

Darunter erscheint eine weitere Kartusche mit der Inschrift „Lingen 1700“, umrahmt von Ornamenten mit sogenanten Knorpel- und Ohrmuschelstil des 17. Jahrhunderts.

Kaminplatte ‚Lingen‘ aus einem Bauernhaus in Schale

Eine fast identische Kaminplatte befindet sich im Dorfgemeinschaftshaus der Gemeinde Schale, dem nördlichsten Zipfel des Münsterlandes. Diese Kaminplatte stammt vom alteingesessenen Bauernhof Osterfinke in Schale. Schale gehörte zur Grafschaft Tecklenburg. Der Hof Osterfinke unterstand ursprünglich dem Kloster Werden, kam aber 1605 in den Besitz des Lingener Drosten Albert van Ittersum. 1654 wurde der Hof von Ittersums Erben zusammen mit weiteren Höfen in Schale an den Grafen Mauritz von Tecklenburg verkauft. Nach dem Verkauft der Grafschaft Tecklenburg an das Königreich Preußen fiel der Hof dann an den neuen Landesherrn.

Kaminplatte ‚Lingen 1700‘ aus einem Bauernhaus in Ibbenbüren

Eine weitere vergleichbare, aber weitaus aufwendiger gestaltete Kaminplatte befindet sich in einem Bauernhaus in Ibbenbüren und ein weiteres, allerdings sehr schlecht erhaltenes Exemplar in einem Bauernhaus in Bippen.

Diese beiden Kaminplatten zeigen ebenfalls das Oranier- und das Königswappen sowie den Spruch des Hosenbandordens und die Angabe „Lingen 1700“. Ergänzt ist hier aber noch eine Kartusche mit der Inschrift: „GVILIELMUS.III.D.C.REX.MAG.BRITANNIAE.PRIC:ARAUSIAC:ET.NASSAV COMES LINGENSIS.&C.“ (= Wilhelm III., König von Großbritannien, Prinz von Oranien und Nassau, Graf von Lingen etc.).

Ofen und Herdplatten gehören zu den „Klassikern“ in den Sammlungen der kulturgeschichtlichen Museen. Aufgrund ihrer Stabilität und Haltbarkeit sind sie oft mehrere Jahrhunderte alt und spiegeln nicht nur die Entwicklung der Feuerstellen, sondern auch die Bilder in den Epochen der Renaissance, des Barocks und des Klassizismus.

Eine besondere Themengruppe bilden dabei die Wappendarstellungen, die nicht nur Symbole der damaligen Landesherren, sondern bisweilen auch die Wappen örtlicher Adelsfamilien zeigen. Die Stückzahlen bei solchen Platten dürften eher gering gewesen sein, während landesherrliche Wappentafeln in größeren Serien die Kamine von Schlössern, Amtsstuben und öffentlichen Gebäuden zierten.

Hergestellt wurden Kamin- und Ofenplatten vorzugsweise im Sauerland und Siegerland, im Harz und in der Eifel, also in den klassischen Zentren der vorindustriellen Eisenproduktion. Im 19. Jahrhundert entstanden dann vielerorts Eisengießereien, etwa in Dülmen, Isselburg oder Gravenhorst, aber dort wurden keine Kaminplatten mehr produziert, sondern Öfen verschiedener Art.

Woher aber stammen die Eisenplatten mit dem britischen Königswappen und dem Schriftzug Lingen aus dem Jahr 1700? Das Wappen gehört zu Wilhelm III. von Oranien, Statthalter der Niederlande, der durch seine Heirat mit Maria von England 1689 König von England, Irland und Schottland wurde und 1702 starb. Zum Herrschaftsbereich der Oranier gehörte seit 1648 aber auch die Grafschaft Lingen, bestehend aus der Niedergrafschaft im Emsland und der Obergrafschaft im Raum Ibbenbüren.

In der Obergrafschaft Lingen wurden seit dem 16. Jahrhundert Steinkohlen gefördert. Ende des 17. Jahrhunderts begann man in Ibbenbüren unter staatlicher Regie der Oranier mit dem Verhütten von Raseneisenerzen („yserhoudende oersteene“), die im Raum Recke abgebaut wurden. Der oranische Rentmeister de Famars reiste eigens ins Sauerland, um die dortige Erzgewinnung kennenzulernen. In einigen provisorischen Schmelzöfen begann dann der Probebetrieb bei Ibbenbüren. Bis 1702 wurden fünf „Schmelzungen“ vorgenommen, deren Ergebnisse jedoch hinsichtlich der Qualität des Eisens nicht überzeugten. Zu den Erzeugnissen dieser Gussversuche gehörten nach einer amtlichen Aufstellung Platten, Öfen, Feuerböcke, Eisentöpfe, Mörser, Wasserrohre für die Gärten von Schloss Het Loo, Braukessel, Kanonen, Handgranaten und große Mengen Stabeisen. Mit dem Ende der oranischen Herrschaft in Lingen wurde die Eisenproduktion 1702 eingestellt.

Es besteht wohl kein Zweifel, dass die Kaminplatten mit dem Wappen Wilhelm III. von Oranien im Jahre 1700 in der Eisenhütte in Ibbenbüren gegossen wurden. Dass sie damals für den Einbau in Bauernhäuser oder ein Müllerhaus gedacht waren, ist eher unwahrscheinlich. Dort brannten zu dieser Zeit noch offene Herdfeuer zu ebener Erde. Die ursprünglichen Standorte dürfte in den Kaminen von Adelssitzen, Amtshäusern und anderen öffentlichen Gebäuden aus der Oranischen Zeit zu suchen sein.