Schüler*innen der Marienschule Lingen erforschen Geschichte
Bei den aktuelle Projekttagen der Marienschule Lingen im Emslandmuseum geht es für die Schüler*innen der Klassen 9 in der nächsten Woche um das Thema Nationalsozialismus in Lingen.
Anhand von Fotos und Dokumenten aus dem Archiv des Emslandmuseums werden wir zunächst die NS-Zeit in Lingen aus der Sicht von Lingener Frauen und Männern, Kindern und Jugendlichen darstellen.
Mit den Kasernen in Reuschberge, die im Rahmen von Hitlers Kriegsplanung 1934 und 1935 errichtet wurden, war Lingen aber auch ein wichtiger Militärstandort.
Sofort begannen die Nationalsozialisten mit der von ihnen angekündigten Entrechtung, Verfolgung und Ausplünderung der Juden. Viele Nichtjuden schauten teilnahmslos weg und begrüßten diese Maßnahmen. Es gab kaum Solidarität mit den Juden und keinen nennenwerten Widerstand gegen die Judenverfolgung. Manche versuchten wohl, im Stillen zu helfen, aber damit konnte man das NS-Regime nicht aufhalten.
Besonders die Jugendlichen wurden von den Nationalsozialisten sehr umworben, denn sie galten als die Zukunft des NS-Staates. Beim ‚Jungvolk‘, der ‚Hitlerjugend‘ und dem ‚Bund Deutscher Mädel“ wurden sie auf ihre zukünftige Rolle in Gesellschaft, ;Militär und Partei vorbereitet.
Die Geländespiele und Zeltlager der ‚Hitlerjugend‘ waren als vormilitärische Übungen konzipiert. Jungen sollten zu Härte, Kampfbereitschaft und Durchhaltekraft erzogen werden.
Die Mädchen wurden bei BDM (‚Bund Deutscher Mädel‘) auf eine Rolle als Frau und Mutter vorbereitet. Sie sollten heiraten, den Haushalt führen, möglichst viele Kinder bekommen und ihrem Ehemann ‚den Rücken freihalten‘.
Bei häufigen Aufmärschen und Kundgebungen wurden die Jugendlichen von der NS-Propaganda indoktriniert. Die Massenveranstaltungen sollten gleichzeitig die Zustimmung zum NS-Regime dokumentieren.
Auch der BDM war an diesen Veranstaltungen beteiligt. Es war für Jugendliche sehr schwer, sich der Mitgliedschaft und dem Einfluss der Hitlerjugend zu entziehen.
In der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurden in ganz Deutschland die Synagogen zerstört, die jüdischen Geschäfte geplündert und die Wohnungen der Juden verwüstet. Aus der legalisierten Entrechtung und Verfolgung wurde offene Gewalt. Die Nichtjuden waren damit nicht alle einverstanden, aber niemand wagte den Widerstand gegen einen Staat, der vor Gewalt gegen seine Bürger nicht zurückschreckte.
Mit dem Überfall auf Polen begann 1939 der Zweite Weltkrieg. Auch Soldaten und Truppenteile aus Lingen waren daran beteiligt. England und Frankreich stellten sich auf die Seite Polens. Die Deutschen und die Alliierten ließen ihre Truppen aufmarschieren, doch bis zum Mai 1940 blieb es im Westen ruhig.
Im Mai 1940 überfiel die Wehrmacht die westlichen Nachbarländer. Dänemark, Norwegen und die Niederlande wurden rasch besetzt.
Mit der Bombadierung der niederländischen Großstadt Rottermann zwang Deutschland die Niederland zur Kapitulation. Das Land wurde über fünf Jahre lang von der Wehrmacht besetzt und von den Deutschen wirtschaftlich ausgeplündert.
Von Belgien aus stieß die Wehrmacht weiter auf Frankreich vor und drängte die allierten Truppen rasch bis an den Ärmelkanal und an den Atlantik zurück. Nächstest Kriegsziel war England.
Mit Bombenangriffen auf englische Großstädte sollte England zur Kapitualion gezwungen werden. Dabei wurden viele Städte zerstört und viele Zivilisten getötet. Aber England dachte nicht an Aufgeben und die deutsche Luftwaffe war auch insgesamt zu schwach. Das Ziel, England zu besetzten und damit ganz Westeuropa zu besiegen, wurde nicht erreicht.
1941 startete Hitler dann den Überfall auf die Sowjetunion. Die deutschen Truppen waren anfangs überlegen und stießen weit auf Russland und in die Ukraine vor.
Im Herbst wurden die Truppen der Wehrmacht, die schon kurz vor Moskau standen, vom frühen russischen Winter überrascht.
Winterfeste Kleidung und Ausrüstung fehlten. Der Vormarsch blieb im russischen Schnee buchstäblichen stecken. Die Sowjets konnten ihre Kräfte sammeln und die Abwehr organisieren.
Unter großen Verlusten rückten die Deutschen 1942 weiter vor und erreichten bei Stalingrad die Wolga. Doch hier wurden die deutschen Truppen eingekesselt und vernichtend geschlagen. Die Kapitulation der Wehrmacht in Stalingrad Anfang 1943 markierte die Wende des Krieges.
Der Krieg gegen die Sowjetunion wurde viel härter und rücksichtloser gegen die Zivilbevölkerung geführt als im Westen, den Hitler wollte die Sowjets nicht nur besiegen, sondern vernichten. Dabei kamen hunderttausende von Wehrmachtssoldaten ums Leben, vor allem aber Millionen von Soldaten und Zivilisten in Russland und besonders in der Ukraine.
Im Schatten des Krieges errichteten die Nationalsozialisten in den besetzten Ländern Osteuropa Vernichtungslager, um dort alle Juden Europas zu ermorden. Auch die Lingener Juden, die nicht rechtzeitig ausgewandert oder geflüchtet waren, wurden dorthin deportiert und umgebracht.
Die Alliierten, besonders die Engländer und Amerikaner, begannen 1942 mit der systematischen Bombadierung deutscher Großstädte und Industriezentren, um die deutsche Rüstungsindustrie zu treffen und die Zivilbevölkerung zu zermürben.
Im Februar 1944 wurden Lingen erstmals Ziel eines massiven Luftangriffes mit großflächigen Zerstörungen im gesamten südlichen Stadtgebiet.
Nicht nur die Eisenbahnhallen, sondern auch der Alte Hafen, das Bögengebiet, Teile der Rheiner Straße und des Strootgebietes wurden von den Bomben getroffen. Viele Zivilisten kamen dabei ums Leben.
Im November 1944 folgte ein weiterer Großangriff auf Lingen. Ziel waren erneut die Eisenbahnanlagen und das südliche Stadtgebiet.
Die Trauerfeier auf der Wilhelmshöhe sollte die Bevölkerung vom Endsieg überzeugen und zum Durchhalten aufrufen. Doch mittlerweile waren die Alliierten in der Normandie gelandet und rückten rasch auf Deutschland vor. Den meisten war die hoffnungslose militärische Lage und die Sinnlosigkeit des Weiterkämpfens nun offenkundig. Nur die überzeugten Nationalsozialisten wollen dies nicht einsehen.
Anfang April erreichten die englischen Panzerspitzen die Ems und rückten über die eroberte Wachendorfer Brücke von Norden her auf die Lingener Innenstadt zu. Dort hatten sich Einheiten der Wehrmacht zum Widerstand eingenistet.
Die Wehrmachtssoldaten leisteten eine Woche lang erbitterten Widerstand. Bei den Kämpfen um Lingen kamen hunderte von Soldaten beider Seiten ums Leben.
Obwohl die Kämpfe völlig sinnlos waren, gaben viele deutsche Soldaten erst auf, wenn sie ihre letzte Munition verschossen hatten. Sie ergaben sich und kamen in Kriegsgefangenschaft.
Letzte Widerstandsnester wurden mit Flammenwerferpanzern vernichtet. Dabei gerieten kurz vor dem Ende der Kämpfe noch viele Häuser in Brand.
Die letzten Nationalsozialisten waren zu Beginn der Kämpfe aus Lingen geflüchtet. Das NS-Regime löste sich auf. In der Innenstadt wurde geplündert, die Macht der Nationalsozialisten war gebrochen.
Beim Kriegsende waren das Eisenbahnwerk und ganze Straßenzüge zerstört. Die meisten Brücken und wichtige Infrastruktur hatte die Wehrmacht auf ihrem Rückzug gesprengt. Aber die Schrecken des Nationalsozialismus hatten in Lingen ein Ende. Jetzt waren die Engländer die Herren der Stadt. Recht und Ordnung wurden rasch wiederhergestellt und am Ende auch wieder demokratische Strukturen geschaffen.