Photographie und Technik
Immer wieder kündigte der Fotograf Fritz Hüsig in den Tageszeitungen an, wenn er sich auf eine seiner häufig mehrwöchigen Fotoreisen begeben wollte. Oft hat er darin auch die Ziele angegeben, etwa
Bad Bentheim, wo er in den Sommermonaten die Kurgäste porträtierte, oder das ostfriesisch Rheiderland. Zeitweise unterhielt er Filialen in Rheine, Bentheim, Neuenhaus und dem Rheiderland. Dort standen Ateliers mit Glasdächern, verschiedenen Hintergründen und Requisiten bereit. Die Kameraausrüstung brachte Hüsig mit und zog damit auch über Land, um die Auftraggeber direkt vor Ort abzulichten. Diese Fahrten boten außerdem Gelegenheit, vor Ort Fotos als Vorlagen für die damals weit verbreiteten Ansichtskarten aufzunehmen. Zeitweise betrieb Hüsig einen eigenen Postkartenverlag. Besonders beliebt waren seine Mehrbildkarten, bei denen er mehrere Fotomotive auf einer Karte zusammenstellte.
Bauern, Handwerker, Provinzbeamte, örtliche Honoratioren und auch die Geistlichkeit ließen sich von Hüsig porträtieren, darunter auch Prominente wie der Zentrumspolitiker Ludwig Windthorst, der seinen Wahlkreis im Emsland hatte. Fotografieren ließen sie sich jedoch nicht in ihrem Alltag oder bei typischen Tätigkeiten, sondern im feinsten Zwirn gestriegelt und geschniegelt vor einer schicken Hintergrundleinwand.
Auch Schulfotos stellten einen wichtigen Erwerbszweig dar. Möglichst viele Schülerinnen und Schüler wurden in Reih und Glied vor der Kamera aufgestellt. Ohne die damals übliche Disziplin im Schulbetrieb wäre das wohl kaum durchführbar gewesen. Doch nur auf die Weise konnte Hüsig viele Abzüge von einer Fotoplatte verkaufen und damit den Preis auf für die ärmeren Familien erschwinglich halten.
Einen besonderen Kundenkreis bildeten die Kurgäste in Bad Bentheim, die häufig aus den Niederlanden stammte. In ihrer vornehmen Kleidung, aber auch in ihrer Physiognomie und ihrer Körperhaltung unterscheiden sie sich auf den Fotos deutlich von den einheimischen Bauernfamilien. Auch Bentheimer Ortsansicht von Kurbad, Stadt und Burg waren bei den holländischen Gästen beliebt und finden sich noch heute in manchem Fotonachlass in den Niederlanden. Hüsigs älteste Panoramaansicht der Burg Bentheim wurde dort schon 1871 in ein Reisealbum eingesteckt.
Zu den Aufgaben der Fotografen gehörte bald auch die Beweissicherung durch Fotoaufnahmen bei großen Bauprojekten. Gerade die Fotografie bot hier eine Möglichkeit, Mängel oder Schäden zu dokumentieren. So lieferte Hüsig Auftragsfotos beispielsweise für die Straßenbau- und die Kanalbauverwaltung. Schon 1874 hielt er die Baustelle der Kanalschleuse in Haren fest, dem Schlüsselbauwerk für das linksemsische Kanalsystem und die Überfahrt der Binnenschiffer in die Niederlande. Auch Fotos von den Kanalbrücken und Hafenanlagen in Lingen nahm Hüsig mit seiner Kamera auf.
Unverkennbar ist bei Hüsigs Ortansichten der Zusammenhang mit den Eisenbahnlinien. Die großformatigen Fotoapparate mit Holzgehäuse, Stativen und umfangreichem Zubehör waren schwer zu transportieren. Das ging mit der Eisenbahn schneller und besser als mit einer Pferdekutsche auf holperigen Wegen durch Moor und Heide.