Der Siegeszug des Automobils

Die ersten Kraftfahrzeuge auf den Straßen des Emslandes

Eins der ersten Automobile in Lingen besaß schon um 1910 die Fahrschule Anger

Kurz nach der Jahrhundertwende rollten die ersten Kraftfahrzeuge über den Lingener Marktplatz und über das Kopfsteinpflaster der beschaulichen

Kleiner Zwischenfall am Straßenrand – zum Glück nur Blechschaden

emsländischen Landstraßen. Anfangs standen die Menschen noch am Straßenrand und staunten, wenn ein Motorfahrzeug brummend vorfuhr. Manche warnten vor gesundheitlichen Schäden durch die hohe Fahrgeschwindigkeit. Doch der Siegeszug des Automobils ließ sich hierdurch nicht aufhalten.

Die ersten Autobesitzer waren zumeist Kaufleute, die ihre Kunden auf dem Lande hatten, etwa Vieh- oder Kornhändler, oder auch Landärzte, die zu jeder Tages- und Nachtzeit startbereit sein mussten für Fahrten zu Notfallpatienten. Eine gewisse Technikbegeisterung gehörte dazu, denn in Zeiten ohne Selbstcheck und Pannenhilfe war im Zweifelsfall der Fahrer selber als Monteur gefordert.

Sorgen bereiteten den ersten Autofahrern nicht nur technische Probleme an Motor und Bremsen – viel mehr hatten die ersten Autos ja nicht – sondern vor allem die Hufnägel, die den Pferden auf den Straßen verloren gingen und sich dann gerne in die Autoreifen bohrten. Die sprichwörtliche Reifenpanne gehörte daher zum Kraftfahreralltag und machten Terminabsprachen zum Lottospiel.

Doch einen entscheidenden Vorteil hatten die Motorfahrzeuge: sie waren sofort fahrbereit und musste nicht erst angespannt werden, und ihre Pferdestärken wurden niemals müde. Erst wenn der Tank sich allmählich leerte, war Holland in Not, denn das Tankstellennetz hatte anfangs noch sehr weite Maschen.

In Lingen befand sich die Tankstelle der Mineralölfirma Kerkhoff direkt auf dem Marktplatz vor dem heutigen La Vino. Pumpen musste man selber von Hand. In Drogerien und bei Petroleumhändlern, in Landgasthöfen und bei den Dorfschmieden konnte man das flüssige Gold in Kanistern erwerben. In abgelegenen Gegenden tat man gut daran, einen Reservekanister im Kofferraum zu haben.

Abschleppdienst anno dazumal

Die Straßen waren mit holperigem Kopfsteinpflaster belegt, es gab keine Fahrbahnmarkierungen und keine Straßenbeleuchtung. Nächtliche Autofahrten bei schlechtem Wetter endeten nicht selten im Chausseegraben oder vor einem Baum. Dann wurde am nächsten Morgen ein Pferd vorgespannt und das beschädigte Fahrzeug zum Ausbeulen zur nächsten Kutschenwerkstatt gezogen. Waren technische Teile beschädigt, musste man sich in Geduld üben, denn die Beschaffung von Ersatzteilen dauerte meist ein paar Tage.

Gleichwohl machte Autofahren auch damals schon Freude. In schneller Fahrt durch eine Kurve sausen, mühelos Ausflugsziele erreichen und per Motorkraft mal kurz dem Alltag entfliehen – das war schon damals so wie heute. Jedenfalls für die, die sich das leisten konnten, denn ein Verkehrsmittel für den Normalverdiener wurde das Auto erst Jahrzehnte später.