Faustulus

Ahnungforschung einmal anders

Vorführung eines Zuchtbullen, um 1940

Ahnenforschung wird im Emsland großgeschrieben. Da werden Geburts- und Sterberegister gewälzt und Urkunden hinzugezogen, um den Stammbaum über möglichst viele Generationen nachweisen zu können – vorzugsweise in der männlichen – weil namensgebenden – Linie.

Der Zuchtbulle „Faustulus“ aus Schapen (1948)

Doch Stammbäume haben nicht nur die menschlichen Bewohner unserer Region, sondern auch viele der hier lebenden Haus- und Nutztiere aufzuweisen, wenn sie in Herd- oder Stammbücher eingetragen sind. Dies zu erforschen, ist ein bislang wenig praktiziertes, aber doch ernsthaftes Forschungsfeld.

Nehmen wir als Beispiel „Faustulus“, einen Zuchtbullen der Rasse „Das Deutsche schwarzbunte Rind“. Er lebte in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Hof Meyer-Jürling in Schapen und produzierte eine zahlreiche Nachkommenschaft. Ein Gemälde des ausgezeichneten Tieres erinnert bis heute an ihn und in der Familie Meyer-Jürling wird noch manche Anekdote über ihn erzählt.

Unterlagen über das berühmte Tier sind bei Meyer-Jürling leider nicht mehr vorhanden. Aber da ist ja noch die Wissenschaft. In der Dissertation von Diplomlandwirt Dr. Rolf Prieshof aus Meppen mit dem Titel „Die bedeutendsten Leistungsvererber der emsländischen Rinderzucht“, vorgelegt 1959 am Institut für Tierzucht und Tierfütterung der Universität Bonn, werden der Bulle aus Schapen und seine Nachfahren ausführlich beschrieben: „Faustulus war ein formvollendeter Bulle, der trotz seines größeren Rahmens und derben Ausdrucks auf emsländischen Schauen mehrfach im Vordergrund stand. Er brachte rahmige, flankentiefe Kühe, die überwiegend den etwas derben Typ des Vaters verkörpern. Die Euter sind zufriedenstellend geformt, wobei die etwas kurzen Striche bemängelt werden können. Seine Söhne waren frühreife, starkknochige Bullen, die auf den Auktionen leicht ihren Käufer fanden. Sie entsprachen aber im Typ nicht ganz dem angestrebten Zuchtziel. Für die Herdbuchzucht konnte keiner von ihnen bemerkenswerte Bedeutung erlangen.“ (S. 81)

Als Züchter gibt Prieshof den Betrieb Jansen in Altendeich in Ostfriesland an. Von 1945 bis 1950 gehörte Faustulus der „Stierhalter-Genossenschaft Schapen“, die ihn 1950 an die Gutsverwaltung Rupennest veräußerte. Vor dort ging er 1953 zum Schlachter.

Rinderschau bei Meyer-Jürling (um 1950)

Die Eltern von Faustulus (4500) hießen Faust (54100) und Linolde (295101), als deren Eltern sind väterlicherseit Faust (49383) und Bertha (277543) angegeben, sowie mütterlicherseits Hausknecht (43074) und Lore (245853). Diese Angaben stammen aus dem Herdbuch der Herdbuch-Gesellschaft Emsland. Diese war unter dem Namen „Emsländischer Rindviehzuchtverband“ aus mehreren örtlichen Rinderzuchtvereinen in den Kreisen Aschendorf-Hümmling, Meppen, Lingen und Bentheim hervorgegangen. 1937 erhielt er den Namen „Herdbuch-Gesellschaft Emsland e.V.“. 1958 waren in diesem Verband 3260 Mitglieder mit 528 Bullen und 19400 eingetragenen Tieren vertreten.

Durch Änderungen in der Landwirtschaft und der Milchvielhaltung ging der Herdbuchgesellschaft später in der WEU (Weser-Ems-Union) auf, heute „Masterrind“. Die in dicken Kladden verzeichneten Herdbücher kamen, weil sie nicht mehr benötigt wurden, auf den Zuchtbetrieb Lohmöller in Listrup und werden dort bis heute sorgsam verwahrt.

In einem der dicken Bände sind auch weiter Informationen über Faustulus zu finden. Im Oktober 1945 wurde er zum ersten Mal gekört (für die Zucht ausgewählt) und dann mehrfach neu gekört. Er war 1948 bei der Stammbullenschau und 1949 bei der Kreistierschau in Lingen ausgestellt sowie ebenso 1951 bei der Emsland-Tierschau in Lingen. Im Frühjahr 1953 wurde Faustulus zum letzten Mal gekört und am 1. Mai 1953 zur Schlachtbank geführt. Charakterisiert wird er im Herdbuch durch seine „beste, schwere Form, etwas starkes langes Horn, mit reichlich schwerem Kopf“. Von seinen männlichen Nachfahren wurden 35 in das Herdbuch eingetragen, sowie 72 weibliche Tiere.

Die Vorfahren von Faustulus sind im Herdbuch in fünf Generationen dokumentiert. In der männlichen Stammlinie hießen seine Ahnen Faust II (54100), Faust (49383), Feko (39262), Graf Kobold (32370) und Kobold. Auch diese Tiere sind allesamt im Herdbuch verzeichnet.

Rolf Prieshof: Die bedeutenden Leistungsvererber der emsländischen Landwirtschaft. Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Landwirtschaft (Dr. agr.) der Hohen Landwirtschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich Wilhelms-Universität zu Bonn. Vorgelegt am 26. Mai 1959.