Treffpunkt von Mensch und Tier aus Stadt und Land
Lingen als Mittelpunkt einer ländlichen Region war von alters her ein wichtiger Handelsplatz für Nutzvieh. Mit dem Eisenbahnanschluss und der Industrialisierung entwickelte sich der Lingener Viehmarkt zum zeitweise größten Viehmarkt in Nordwestdeutschland.
Ursprünglich bildeten die Straßen und Plätzen der Innstadt der Schauplatz der Lingener Viehmärkte. So fand der Ferkelhandel in der Bauerntanzstraße statt und der ursprünglich nicht sehr bedeutende Rinderhandel an verschiedenen Plätzen in der Stadt.
An erster Stelle stand der Pferdehandel und wer ein Pferd kaufte, der wollte es vorher laufen sehen. Das war in den engen Straßen der Altstadt gefährlich, denn an den Viehmarkttagen drängten sich dort Mensch und Tier. Daher wurde Anfang des 20. Jahrhundert ein Gelände zwischen Burgstraße und Wilhelmstraße als Pferdemarkt hergerichtet. Die Anbindevorrichtungen befanden sich an der Stelle des heutigen Emslandmuseums und auf dem heutigen Parkplatz war eine Laufbahn ausgewiesen.
Die Pferdehändler galten als besonders versierte Kaufleute und so waren die Bauern bei der Auswahl der Pferde und dem Aushandeln des Preises immer auf Hut. Auch Sinti und Roma kamen zum Pferdehandel nach Lingen. Sie schlugen dann ihr Lager am Rande des Pferdemarktes am damals noch offenen Stadtgraben auf. Bei der Vorführung ihrer Pferde führten sie gerne spektakuläre Kunststücke auf.
Der Ferkelhandel war ein wichtiges Geschäft für die Kleinbauern. Die Ferkel aus dem Emsland und der Grafschaft wurden von Viehhändlern hauptsächlich in das Ruhrgebiet verkauft, um dort als Hausschweine gemästet zur werden.
1925 wurde der Viehmarkt aus der Innenstadt auf ein Gelände zwischen der Alten Rheiner Straße und der Schwedenschanze verlegt, den sogenannten Zentralviehmarkt. Alle 14 Tage fand hier der große Viehhandel statt.
Das Marktgelände befand sich direkt an der Eisenbahnstrecke und hatte eine eigene Verladerampe, auf der das Vieh direkt in Güterwaggons eingetrieben und abtransportiert werden konnte. Auf dem Areal befanden sich neben Anbindevorrichtungen im Freien auch Markthallen sowie eine große Kantine. Dort konnte man eine Mahlzeit einnehmen oder einen erfolgreichen Handel begießen. Doch auch die umliegenden Gaststätten und die Lokale in der Innenstadt waren an den Markttagen immer gut besucht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging durch das rasche Aufkommen der Traktoren in der Landwirtschaft die Bedeutung der Pferdehaltung und des Pferdehandels rasch zurück. Dagegen nahm der Rinderhandel durch die Bemühungen um eine Verbesserung der Milchleistung spürbar zu.
Große Sorge hatten man vor der Verbreitung von Tierseuchen während des Viehmarktes. Bemerkte man kranke Tiere, dann wurden der Amtstierarzt und die Marktaufseher sofort tätig. Nicht immer zur Freude der Bauern und der Viehhändler. Handelte der Tierarzt sehr vorsichtig, obwohl sich kein Krankheitsfall herausstellte, dann betrachtete man sein Eingreifen als überzogen. Hatte sich aber ein Seuchenfall ausgebreitet, dann hatte wohl der Tierarzt nicht aufgepasst. Kein beneidenswerter Beruf!
Um die Leistung von Zuchtvieh unter Beweis zu stellen, fanden seit dem 19. Jahrhundert in Lingen Tierschauen statt, bei denen die besten Zuchttiere prämierte wurden. Das steigerte natürlich den Verkaufswert.
Nicht nur Pferde, Zuchtbullen und Milchkühe wurden dabei ausgezeichnet, sondern bis Anfang der 50er-Jahre spielte auch die Schafzucht im Emsland noch eine wichtige Rolle. Die Tierschauen waren oft mit landwirtschaftlichen Verkaufsausstellungen verbunden und eine beliebter Treffpunkt für die Menschen aus Stadt und Land.