Die Rheiner Straße
Die Rheiner Straße ist eine der alten Hauptstraßen von Lingen und führt aus der Innenstadt in Richtung Süden. Etwas außerhalb des früheren Lookentores zweigt sie von der Lookenstraße ab und wird in ihrem weiteren Verlauf seit 1856 von der Eisenbahnlinie durchschnitten.
Seit dem Bau der Eisenbahn führte die Rheiner Straße mit einem Bahnübergang über die Gleise der vielbefahrenen „Hannoverschen Westbahn“. Vor den häufig geschlossenen Schranken bildeten sich mit dem Aufkommen des Automobilverkehrs oft lange Fahrzeugschlangen. Nach der Freigabe der „Südbrücke“ wurde der Bahnübergang geschlossen. Damit wurde der vordere Bereich der Straße zur Sackgasse und erhielt die Bezeichnung Alte Rheiner Straße. Der Straßenzug östlich der Bahn bekam über den früheren Schneewall eine Verlängerung bis zur Kaiserstraße und führt weiterhin den Namen Rheiner Straßen.
Am Abzweig von der Lookenstraße stand auf dem Eckgrundstück ein markantes Wohnhaus mit einem kleinen Türmchen auf der Straßenecke. Das Eckhaus zur Bahnhofstraße gehörte die jüdischen Viehhändler Frank. Beide Gebäude wurden 1944 durch Bomben zerstört. An der Stelle des Hauses Frank entstand in der Nachkriegszeit ein Neubau für die Schlachterei Rühl.
Hinter Frank folgte links die Gaststätte Seemann. Als 1925 der Viehmarkt aus der Innenstadt auf das Gelände zwischen der Rheiner Straße und der Eisenbahn verlegt wurde, entwickelte sich das Lokal zu einem beliebten Treffpunkt der Bauern und Viehhändler. Entlang der Straße standen hier ursprünglich mehrere Wohnhäuser, die aber nach dem Zweiten Weltkrieg für den Ausbau des Viehmarktes abgebrochen wurden.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatte die Gaststätte Heskamp ihren Sitz. Das Restaurant versorgte auch die Kantine des Viehmarktes. Links daneben befand sich in den 30er-Jahren der Bierverlag Lobenberg. Auch diese Gebäude wurden beim Luftangriff 1944 zerstört und später in vereinfachter Form über dem alten Bierkeller wieder aufgebaut.
Ein bekannter Gewerbebetrieb an der heutigen Alten Rheiner Straße war die Mühle Greis, eine Dampfmühle, in der Korn zu Mehl und Alkohol verarbeitet wurde. Neben der Hausmarke, dem Doppelkorn „Greis Steinalt“, wurden hier auch diverse Liköre produziert. Das Gebäude diente im Zweiten Weltkrieg als Verpflegungslager und war Ende 1945 Gründungsstätte der „Lingener Bekleidungswerke“ von Meerswolke und Veer. Später wurden die Gebäude wegen Baufälligkeit abgerissen. Hinter der Mühle befand sich ein großes Gelände, auf dem rückwärtig an der Lindenstraße die Villa Greis stand.
Jenseits der Eisenbahnlinie standen hauptsächlich kleine Wohnhäuser für die Beschäftigten des Ausbesserungswerkes. Es waren die typischen Lingener Eisenbahnerhäuser: Haustür in der Mitte, rechts und links je zwei Fenster, hinter dem Haus Schuppen, Schweinestall und großer Garten.
Der Schreinermeister Hermann Kühlenborg gründete hier in den 30er-Jahren eine Möbeltischlerei, die sich später zu einem bekannten Möbelhaus entwickelte.
Erholsame Stunden konnte man im Café Kleinschmidt in der Nähe des Bahnübergangs verbringen.
Den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens für den Stadtteil Rheiner Straße bildete jedoch die Gaststätte Pagel, an die eine Kolonialwarenhandlung und ein Saalbetrieb angegliedert waren. Hier feierte auch der Schützenverein Rheiner Straße seine Feste.
Von Pagel aus zogen sich die Eisenbahnhäuser weiter am Galgenesch vorbei bis weit stadtauswärts. Dort ging die Rheiner Straße dann unmerklichen in die Nachbargemeinde Darme über.