Ausstellung in der Lingener Bonifatiuskirche (bis 21. Juni)
Vom 4. Mai bis 21. Juni ist in der Lingener Bonifatiuskirche eine Ausstellung zum Kunstprojekt „Schutzmantel“ der Künstlerin Astrid J. Eichin zu sehen (www.astrid-j-eichin.de). Der große Mantel, den die Künstlerin dabei präsentiert, zeigt die Form eine Tunika. Und erinnert damit an ein sehr bekanntes Gewand in der Tradition des Christlichen Abendlandes: Den „Heiligen Rock“.
Eigentlich ist dies gar kein Mantel, sondern ein Untergewand. Und zwar der Überlieferung nach die Tunika Jesu Christi. Doch da ein heiliges Unterhemd wenig repräsentativ erschien, präsentiert man den „Heiligen Rock“ seit Jahrhunderten wie den Mantel Christi.
Die Kleidung eines zum Tode verurteilten fiel nach römischem Recht dem Hinrichtungskommando zu und so berichtet es auch der Evangelist Johannes (19,20-42): „Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch das Untergewand, das von oben herab ganz durchgewebt und ohne Naht war. Sie sagten zueinander: Wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. Es sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich und warfen das Los um m ein Gewand. Dies führten sie Soldaten aus.“ Das erwähnte Schriftwort stammt aus Psalm 22 (22,19): Sie verteilten unter sich meine Kleider und warfen das Los um mein Gewand.
Doch nicht die Echtheit dieser Reliquie gilt es hier zu hinterfragen, sondern die Darstellung jenes Kleidungsstückes, das seit dem 12. Jahrhundert in Trier aufbewahrt und wird. Besonders durch Andachtsbilder, die man in das Gebetbuch einlegen und beim Beten betrachten konnte, wurde das Bild vom „Heiligen Rock“ weit verbreitet.
Die Kaiserin Helena soll den Rock zusammen mit anderen Reliquien im Heiligen Land erhalten und nach Trier geschickt haben, wo das fragile Kleidungsstück seit 1512 immer wieder zu Wallfahrten ausgestellt wird.
Von 1628 bis 1794 wurde das Gewand auf der Festung Ehrenbreitstein gehütet und kehrte später in den Trierer Dom zurück. 1844 kam es zur ersten Massenwallfahrt zum Heiligen Rock, an der Gläubige aus ganz Deutschland teilnahmen. Über zahlreiche Reliquienwunder wurde damals berichtet, aber aufgeklärte Christen beider Konfessionen kritisierten damals diese katholische Frömmigkeitspraxis, die an 50 Tagen über eine halbe Million Pilger nach Trier brachte. Der katholische Priester Johannes Ronge spottete 1844, die Wallfahrt zum Heiligen Rock sei Aberglauben und hielt dagegen, Christus habe den Gläubigen seinen Geist und nicht seinen Rock hinterlassen. Dafür wurde er natürlich exkommuniziert.
1891 fand eine weitere große Wallfahrt mit fast zwei Millionen Pilgern aus ganz Deutschland und den angrenzenden Ländern statt. In vielen Familien im Emsland erinnern bis heute Andenkenstücke an dieses Ereignis.
Die nächste Wallfahrt 1933 – Anlass war die 1900ste Wiederkehr der Kreuzigung Christi – stand ganz unter dem Zeichen der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Kurz vor der Wallfahrt hatte eine Heilige Stuhl in Rom ein Konkordat (Staatsvertrag) mit Hitler geschlossen und damit viele Katholiken in Deutschland verunsichert. Über zwei Millionen Pilger kamen damals nach Trier.
Ein typischer Brauch bei den damaligen Wallfahrten war das „Anrühren“, also das Berühren des Heiligen Rockes mit den Händen, Plaketten, Stoffstücken oder anderen Devotionalien. Damit sollten die Kräfte der Reliquie auf den neuen Gegenstand übertragen werden. Auf vielen Andenkenstücke ist eigens vermerkt, dass sie an das Gewand „angerührt“ wurden.A
Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden 1959, 1996 und schließlich 2012 weitere Wallfahrten zum Heiligen Rock statt. An der Jubiläumswallfahrt 2012 („500 Jahre Wallfahrt zum Heiligen Rock“) nahmen etwa 500.000 Pilger teil.
Zur Wallfahrt 1996 wurden erstmals auch führende Vertreter der evangelischen Kirchen eingeladen, den Heiligen Rock zu besuchen – und nahmen die Einladung dankend an.
Die Wallfahrt 2012 stand unter dem Motto „und führe zusammen, was getrennt ist“ – ein Zitat aus dem „kleinen Pilgergebet“ von Trier, das sich auf die Christen aller Konfessionen bezieht. Bischof Stefan Ackermann verzichtete deshalb darauf, in Rom einen „Ablass“ für die Wallfahrer zu erbitten, um so den evangelischen Christen die Teilnahme zu erleichtern. Auf die Möglichkeit zum „Anrühren“ des Heiligen Rockes wurde ebenfalls verzichtet.