Archiv für den Monat: März 2020

Johannes Muis beobachtet den Kampf um die Wachendorfer Brücke

Niederländischer Zwangsarbeiter als Zeitzeuge

Johannes Muis war zu Zeiten der deutschen Besatzung in den Niederlanden untergetaucht und hatte sich, wie viele Gleichgesinnte, im damals gerade trockengelegten Noordoostpolder unter den vielen dort tätigen Landarbeitern verborgen. Hier wurde er am 17. November 1944 bei einer Razzia in der Nähe von Vollenhove verhaftet und als Zwangsarbeiter nach Lingen verschleppt.

Muis kam nach Wachendorf und musste mit vielen hunderten weiteren Niederländern den Winter über am Bau der „Emsstellung“, einem System von Panzergräben westlich der Ems, arbeiten. Bei schlechtem Winterwetter kamen die Arbeiten nur langsam voran. Die Zwangsarbeiter wurden von ihren Bewachern schlecht behandelt, die waren Unterkünfte unzureichend und die Verpflegung miserabel.

Der Auszug aus dem nicht ohne Humor und Ironie verfassten Tagebuch beginnt mit dem 1. April – am Tag zuvor waren die meisten Niederländer aus Wachendorf abkommandiert worden. Muis ist nach der Auflösung des Lagers Wachendorf gleich zum Bauern Steffens gegangen und hat dort zum ersten Mal seit Monaten wieder in einem Bett geschlafen. Der Text wurde vom Emslandmuseum aus der niederländischen Originalfassung übertragen und leicht gekürzt.

Muis hatte sich mittlerweile mit dem Bauern Steffens angefreundet. Beim Herannahen der Front wurden die meisten holländischen Arbeiter Ende März nach Ostfriesland verlegt. Beim Abmarsch meldete Muis sich krank. Er und einige weitere Niederländer blieben nun als Landhelfer bei verschiedenen Bauern in Wachendorf, die zusätzliche Arbeitskräfte gut gebrauchen konnten.

In seinem Tagebuch schildert der Zeitzeuge, wie in diesen Tagen einige Nazis immer rabiater und brutaler wurden, andere aber schon versuchten, sich bei den Gefangenen anzubiedern. In Wachendorf erlebte Muis am 3. April die Eroberung der unzerstörten Emsbrücke durch die englischen Soldaten. Aus der Ferne konnte er auch die Kämpfe um Lingen beobachten, die der Stadt Tod und Zerstörung, ihm aber die Freiheit brachten.

Der Kampf um die Wachendorfer Brücke auf einem englischen Historienbild von 1989

Der Auszug aus dem nicht ohne Humor und Ironie verfassten Tagebuch beginnt mit dem 1. April – am Tag zuvor waren die meisten Niederländer aus Wachendorf abkommandiert worden. Muis ist nach der Auflösung des Lagers Wachendorf gleich zum Bauern Steffens gegangen und hat dort zum ersten Mal seit Monaten wieder in einem Bett geschlafen. Der Text wurde vom Emslandmuseum aus der niederländischen Originalfassung übertragen und leicht gekürzt.

„Sonntag, 1. April, 1. Ostertag

Freundliches, etwas feuchtes Wetter.

Herrlich geschlafen in einem echten Bett. Morgens die notwendigen Arbeiten verrichtet und danach durch das Weideland spaziert, um Kibitzeier zu suchen.

Seit heute Mittag ist reger Verkehr auf der Straße, viele durchziehende Truppenteile, die von unserer früheren Lagerunterkunft Gebrauch machen.

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Niederländische Zwangsarbeiter in Bernte und Elbergen

P. den Besten schreibt an seine Verwandten in der Heimat

Nach der Landung in der Normandie (6.6.1944) wurde bald klar, dass die Invasion der Alliierten nicht mehr zu stoppen war und sie unaufhaltsam auf Deutschland vorrückten.

Zur deutschen Durchhaltepropaganda gehörte der Bau der „Emsstellung“ im Herbst 1944. Dies war ein weitläufiges System von „Panzerabwehrgräben“, mit denen man die Alliierten schon westlich der Ems im Raum Elbergen-Lohne aufhalten wollte.

Da Baumaschinen nicht zur Verfügung standen, mussten tausende von Dienstverpflichteten (Rentner, Frauen, Hitlerjugend usw.) die Gräben mit der Schaufel per Muskelkraft ausheben. So konnte man Aktionismus verbreiten und den Durchhaltewillen stärken.

Als die deutschen Arbeitskräfte nicht reichten, wurden tausende niederländische Zwangsarbeiter eingesetzt, die man im November 1944 bei großen Razzien verhaftet und nach Lingen verschleppt hatte. Sie arbeiteten den ganzen Winter hindurch bis in den März 1945 an den Stellungen und wurden beim Näherrücken der Front nach Norddeutschland verlegt.

Aufgrund baulicher Mängel und fehlender Bewaffnung erwies sich die Emsstellung als völlig unbrauchbar. Sie wurden von der Wehrmacht nie genutzt und von den englischen Panzern bei ihrem Vormarsch noch nicht einmal bemerkt.

Von einem Niederländer in Lingen erhielt das Emslandmuseum die hier dargestellte Postkarte, die P. den Besten Anfang Dezember 1944 an seine Verwandten im niederländischen Kampen schickte. Viele der Zwangsarbeiter beim Bau der Emsstellung stammten aus Kampen und Umgebung.

Der Text wurde aus dem niederländischen Original ins Deutsche übertragen:

Absender
P. den Besten
R.K. Volksschule
Bernte
Kreis Lingen-Ems
Deutschland


Fam. J.F. den Besten
Wiik I-282
Ijsselmuiden
Post Kampen

Bernte, 2/12 - 44

Liebe Eltern,

hier seit einigen Tagen eingelebt, aber noch keine Gelegenheit gehabt zu schreiben. Bernte ist ein Bauerndorf von meiner Schätzung nach rund acht Bauernhöfen. Wim habe ich vergangene Woche Donnerstag Morgen in Lingen gesprochen. Er arbeitet in den Zelten des Lagers. In Lingen hat der Lagerführer von der O.T. [= Organisation Todt] mir auch eine Stellung als Schreiber angeboten, aber ich geh lieber mit den Kameraden in der Gruppe zum arbeiten. Wim wird wohl immer noch in Lingen sitzen. Ich kann nicht zu ihm hin, denn wir dürfen nicht ohne Bewachung weggehen.
Von Rennie weiß ich nichts. Ich hoffe, dass Ihr wohl wisst, wo er steckt.
Das Essen, das wir hier bekommen, ist gut. Den zweiten Tag als wir hier waren hatten wir Huhn und Hasenwild, die überigen Tage Suppe und Fleisch mit Erbsen. Auch bekommen wir abend immer einen Brei, der auch sehr gut ist.
Zu Hause ist, wie ich hoffe, alles noch gut, nicht? Jassie und Gesje werden uns wohl vermissen, aber vielleicht dürfen wir ja bald wieder nach Hause.
Da ich keinen Platz mehr habe, muss ich aufhören.

Herzlichen Gruß und auf baldiges Wiedersehen


P. den Besten.

Dass den Besten hier das gute Essen lobt, ist offenbar der Zensur der Postkarten durch die deutschen Ausseher geschuldet. Johannes Muis schreibt in seinem Bericht aus Wachendorf über die sehr unzureichende Verpflegung, nicht nur für die Zwangsarbeiter, sondern auch für die dort ebenfalls zwangsverpflichteten Volkssturmmänner.

Das Kriegsende 1945 im Raum Lingen – 5 / 8

War der Erste Weltkrieg noch eine Angelegenheit des Militärs mit verlustreichen Stellungs- und Grabenkämpfen, so richteten sich die Bombenangriffe im Zweiten Welt auch unmittelbar gegen die Zivilbevölkerung des Feindes. Das bekamen bald auch Lingen und das Emsland zu spüren.

Eines der ältesten Häuser von Lingen

Schlachterstraße 34 wird restauriert

Hinter der Fassade der früheren Werkstatt Tölsner aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts steckt eines der ältesten Bürgerhäuser von Lingen

Restauriert wird seit einigen Wochen das denkmalgeschützte Haus Schlachterstraße 34. Eine Untersuchung der Bauhölzer ergab, dass diese Hauses 1549, also im Jahr nach dem großen Lingener Stadtbrand, neu errichtet wurde. Über 100 Jahres war das Haus im Besitz der Familie Tölsner, die dort zuletzt eine Werkstatt betrieb. Die jetzige Eigentümerin plant nach dem Umbau dort ein Cafè.

Von dem ursprünglichen Fachwerkhaus ist vor allem noch die originale Balkenlage aus starken, rauchgeschwärzten Eichenbalken erhalten. Rauchgeschwärzt deshalb, weil dieses Haus im 16. Jahrhundert noch ein Rauchhaus mit einem offenen Herdfeuer war. An den Balken kann man die Raumaufteilung des Hauses von 1549 noch gut nachvollziehen. Etwa an der Stelle der heutigen Haustür befand sich damals ein Torbogen, durch den man auf eine große Diele gelangte. Links davon waren kleinere Räume abgetrennt.

Schon kurz nach dem Neubau entstand auf dem Rückgrundstück ein schmaler Anbau. Er wurde aus gebrauchtem Holz erreichtet, und zwar aus einem Altbau von 1447. Ob dieser an der Stelle des heutigen Hauses gestanden hatte oder das Holz nach dem Stadtbrand von 1548 anderswo auf Abbruch erworben wurde, lässt sich nicht mehr feststellen. Die Verwendung von Altholz war besonders nach einem Stadtbrand nicht ungewöhnlich. Die Lingener Stadtrechnungen aus dieser Zeit berichten zum Beispiel über den Erwerb von Abbruchholz in Schapen, um daraus die Schule in Lingen zu errichten.

Ein großer Umbau des Hauses fand Anfang des 20. Jahrhunderts durch die Familie Tölsner statt, die bis dahin in einem Nachbarhaus gewohnt hatte. Joachim Tölsner kann sich noch erinnern, dass sein Großvater immer von einem Bauernhaus gesprochen hatte Damit meinte er wohl das alte Dielentor, dessen Spuren im früheren Giebelbalken noch erkennbar sind..

Zukünftig wird das Haus Gaststuben und auf den oberen Etagen Wohnräume enthalten. Alles Baumaßnahmen wurden mit der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Lingen abgestimmt.

Delfter Blau und Lingener Silber

Neuerwerbung für das Emslandmuseum

Ein spektakulärer Ankauf aus einer Versteigerung im renommierten Kunstauktionshaus Lempertz in Köln gelang jetzt erneut dem Lingener Emslandmuseum. Es handelt sich um einen über 300 Jahre alten Delfter Fayencekrug mit einer Silbermontierung des Goldschmiedes Anton Friedrich May (1699-1781), der seit etwa 1740 in Lingen tätig war. In den Silberdeckel hat Kruges hat May eine wertvolle Silbermünze eingearbeitet, einen Zweidritteltaler des Fürstentums Calenberg in Braunschweig- Lüneburg, datiert 1693.

Das Emslandmuseum besitzt aus seinem Altbestand bereits einen vergleichbaren Krug, dessen Silbermontierung jedoch später gewaltsam entfernt wurde. Vermutlich geschah dies gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Museumssammlung in Kisten verpackt und auf dem Dachboden der Hindenburgschule (heute Overbergschule) ausgelagert wurde. Bei den Kämpfen um Lingen im Frühjahr 1945 gab es dort erhebliche Schäden und Verluste durch Beschuss, Raub und Vandalismus. Umso mehr freut sich Museumsleiter Dr. Andreas Eiynck über den vorzüglichen Erhaltungszustand des jetzt erworbenen Stückes, das natürlich einen Ehrenplatz in der Dauerausstellung erhält.

Dass „Delfter Blau“ in der damaligen Zeit in den Wohnstuben der Lingener Bürgerhäuser sehr beliebt war, zeigen nicht nur die zahlreichen überlieferten Stücke im Emslandmuseum. Auch Archäologische Gruppe entdeckte bei ihren Ausgrabungen in der Innenstadt immer wieder Bruchstücke von Delfter Keramik. Die kunstvoll mit blauer Bemalung dekorierte Keramik aus Delft dokumentiert somit in besonderer Weise die engen kulturellen Beziehungen zwischen Lingen Lingen und den Niederlanden. Dies möchte das Museum in der zukünftigen Dauerausstellung noch deutlicher herausstellen.

Wegen des Corona-Virus ist das Emslandmuseum bis auf weiteres geschlossen. Laufende Informationen über die aktuellen Entwicklungen und Themen im Museum sowie über die Bauarbeiten am Erweiterungsbau des Museums gibt es ab sofort online auf diesem Museumblog.

Das Kriegsende 1945 im Raum Lingen – 4 / 8

Die Nationalsozialisten nutzen ihre Kriegserfolge für die schonungslose Vernichtung der Juden aus Deutschland und den von der Wehrmacht besetzten Ländern Europas. Doch auch die Deutschen spürten immer mehr die Folgen des Kriegs, denn je deutlicher sich die Niederlage abzeichnete, desto rücksichtsloser handelten die Nationalsozialisten auch gegen die eigene Bevölkerung.

Krankheitsbehandlung früher

Im 17. Jahrhundert grassierte die Pest

Nach dem Dreißigjährigen Krieg kam es zu einer letzten größeren Pestepidemie in Mitteleuropa. Betroffen war auch das Emsland, wo in alten Chroniken und Kirchenbüchern von Todesopfern berichtet wird.

Die Medizin stand dieser Krankzeit damals ohne probates Mittel gegenüber. Darüber berichtet auch ein medizinisches Buch aus dem Besitz des berühmten „Medicus Wesken“ (Andreas Wesken), der seine Praxis am Lingener Andreasplatz hatte. Sein handschriftlicher Besitzervermerk findet sich auf dem Titelblatt des Buches über dem Namen des Autors. Dieses in Privatbesitz überlieferte Band gelangte vor einigen Jahren in das Emslandmuseum.

Das vom Mediziner Paulus Barbette verfasste, 1662 in Amsterdam gedruckte und in Leder eingebundene Buch enthält auch ein eigenes Kapitel zur Behandlung von ansteckenden Krankheiten wie der der Pest. Was hier für den schlimmsten Fall der Fälle empfohlen wird, stimmt allerdings kaum tröstlich. Denn als „Mittel, sich von der Pest zu befreien“ rät der Autor am Ende zu einem eifrigen Gebet als dem am besten geeigneten Mittel, um sich von der Krankheit zu befreien.

Außer der Furcht vor Gott und dem inständigen Gebet sollen helfen: Das Entzünden von Pestfeuern zur Reinigung der Luft sowie das tägliche Reinigen der Häuser. Abgeraten wird vom Einsatz bestimmter Volksheilmittel, insbesondere von Theriac, einem früher weit verbreiteten alchemistischen Heilmittel aus Venedig. Vielmehr sollen Weihrauch, Myrrhe oder heimische Wacholderbeeren verräuchert werden.

Bohrlöcher sind vorbereitet

Noch hat der Tresor nicht verspielt

Noch hat der Tresor der früheren Landeszentralbank mit seiner ca. 80 cm starken Betondecke und etwa gleichstarken Wänden nicht verspielt. Doch hier sind die Bohrlöcher für seine Zerkleinerung bereits vorbereitet.

Keine Sorge, an eine kontrollierte Sprengung ist derzeit nicht gedacht, sondern mit einer Betonsäge werden Mauern und Decke in handliche Blöcke zerlegt und dann abgetragen.

Im Hintergrund beginnt bereits die Baustelleneinrichtung für die Bohrung der bis zu 12 Meter tiefen Betonpfeiler, auf denen der Neubau sicher stehen wird.

Noch hat der Tresorraum nicht verspielt, aber die Bohrung für die Zerkleingerung in handliche Brocken sind hier bereits vorbereitet

Das Kriegsende 1945 im Raum Lingen – 2 / 8

Nach dem Überfall auf Polen begann im Frühjahr 1940 der Krieg im Westen gegen Dänemark und Norwegen, die Niederlande, Belgien und Frankreich, gefolgt vom Luftkrieg gegen England. Daran beteiligt waren viele Lingener Soldaten und betroffen waren auch viele Familien aus Lingen und dem Emsland. Einige davon stellen wir hier vor.