Lingen in den 50er Jahren

Eisbude, Eigenheim und Käfer

Die Eisbude von Lobenberg auf dem Lingener Marktplatz, um 1952

Anfang der 50er-Jahre befindet sich Lingen im Aufbau. Im Hause van Acken in der Burgstraße erscheint als beliebte Lokalzeitung wieder der …

Werbung bei Brackmann in Lingen – noch handgemalt: „Geschenke finden Sie in grossen Massen die für alle ihre Lieben passen…“ – auch fromme Gipsfiguren für das katholische Haus

Lingener Volksbote. Für die Bildberichterstattung sorgt ein eigenes Fotolabor. Aus dem Nachlass dieser Firma im Emslandmuseum stammt die heutige Fotoserie.

Anstelle der im Krieg zerstörten Häuserblocks am Markt und in der Lookenstraße entstehen in den 50er-Jahren neue Geschäftshäuser im modernen Stil, die bis heute das Stadtbild prägen. Die Geschäfte füllen sich nach der Währungsreform rasch wieder mit Waren aller Art, die zunächst überwiegend aus deutscher Produktion stammen.

Im Kaufhaus Brackmann gibt es nach Jahren der Mangelwirtschaft wieder Porzellan und Haushaltswaren in Fülle. Und ein breites Angebot von Kinderwagen wartet bei Brackmann auf die geburtenstarken Jahrgänge.

Gute Literatur für alles Altersstufen bekommt man in der Buchhandlung van Acken. In der Buchbinderei werden Printprodukte aus der hauseigenen Druckerei im Handbetrieb zwischen Buchdeckel gepresst und eingebunden.

In den neuen Industriebetrieben, insbesondere in der Erdölindustrie, wird gutes Geld verdient und die zumeist noch kinderreichen Familien träumen von einem Häuschen im Grünen in einem der neuen Wohnviertel am Rande der Stadt. Die Generation der Nachkriegskinder wächst heran und begeistert sich für einen neuen Lebensstil mit Motorrad und Transistorradio. Beliebte Treffpunkte in der Stadt bilden in den Sommermonaten die Eisdielen, etwa die Eisbude von Lobenberg auf dem Marktplatz oder der Eisverkauf bei der Bäckerei Rakers in der Großen Straße.

Der Autoverkehr in Deutschland nimmt in den 50er-Jahren permanent zu, auch der Durchgangverkehr in Lingen. Er muss sich um diese Zeit mangels Ring- und Umgehungsstraßen noch durch die engen Gassen der Innenstadt zwängen und täglich bilden sich lange Staus vor den Bahnübergängen. Die Stadt ächzt besonders unter dem Schwerlastverkehr, der Tag und Nacht über den Marktplatz rollt. Die Passenten drängeln sich auf den schmalen Gehwegen und wagen sich nur an den wenigen Zebrastreifen über die Straße.

Die Firma Rosemeyer verlagert damals ihren Sitz von der Bahnhofstraße auf ein großes Trümmergrundstück an der kriegszerstörten Lindenstraße und errichtet dort ein modernes Autohaus. Der VW-Käfer wird zu einem Symbol für das deutsche Wirtschaftswunder und des Deutschen liebstes Kind.

Der Viehmarkt in Lingen hat sich nach dem Kriegsende als Zentrum des Viehhandels in Nordwestdeutschland rasch wieder etabliert. Auch die Tierschauen auf der Wilhelmshöhe ziehen Landwirte und Händler aus einem weiten Umkreis in die Emslandmetropole.

Die junge Bundesrepublik entwickelt sich zu einem Sozialstaat. Dazu gehört auch eine Krankenversicherung für alle. Von der sprunghaften Entwicklung des Dienstleistungssektors profitiert dabei die Angestellten-Krankenkasse DAK, die in den 50er Jahren neue Räumlichkeiten in der Klasingstraße bezieht. Statt Amtsstuben gibt es dort helle Büros mit freundlicher Ausstattung. Nur Computer, man nennt sie damals noch Datenverarbeitungsautomaten, sind dort noch nicht zur finden. Stempel, Karteikästen und Wählscheibentelefone bestimmen den Arbeitsplatz im Büroalltag.

Für Unterhaltung sorgt bei vielen Veranstaltungen das Lingener Tanzorchester (LTO), das hauptsächlich aus Musikern der aufgelösten Wehrmachtskapelle besteht. Noch immer befinden sich um diese Zeit Soldaten in Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion. Ihre Familien hoffen auf eine glückliche Heimkehr und jeder Spätheimkehrer wird auf dem Bahnhof festlich empfangen.