Eine „Grunewald-Siedlung“ im Emsland

Der Lingener Stadtteil Heukamps Tannen

Im Garten bei Familie Liebig

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges hatte sich die Bebauung in Lingen bis an die Gabelung der heutigen Wald- und Jägerstraße ausgedehnt. Das bis dahin noch gar nicht erschlossene Gebiet rechts der Jägerstraße gehörte verschiedenen Eigentümern, hauptsächlich den Familien Böhmer, Landzettel, Brögber, Goosmann, Brümmer, Sandfort und Senger. Das Gebiet zwischen der Waldstraße und der Jägerstraße lag im Besitz der Familie Heukamp.

Anfang 1950 kauften die Stadt und die Gemeinnützige Baugesellschaft Lingen in diesem Bereich große Flächen für die Errichtung eines neuen Wohngebietes auf. Der Bebauungsplan sah für die neue Siedlung 600 Bauplätze vor, auf denen bis Ende 1950 bereits 100 Wohnungen für Flüchtlinge und bis 1955 schon 400 Wohnungen errichtet waren.

Die neuen Häuser an der Birkenallee

Noch im Jahre 1950 begannen die Bauprogramme der Erdölraffinerie, der Gemeinnützigen Baugesellschaft, der Niedersächsischen Heimstätte, der Lingener Baugenossenschaft sowie die Bauvorhaben einzelner Privatpersonen.

Die Doppelhäuser am Finkenweg

Die Bebauung begann im südlichen Teil an der Lerchenstraße, der Meisenstraße, im Amselweg und im Finkenweg. Der übrige Teil des Geländes wurde bis 1954 von der Erdölraffinerie mit Zwei- und Vierfamilienhäusern für ihre Werksangehörigen bebaut, vornehmlich in der Birkenallee, im Schwalbenweg, in der Nachtigallenstraße und im Starenweg.

Der Neubau der Trinitatiskirche

Die Siedlung erhielt nach dem Vorbesitzer des Grundstücks den Namen „Heukamps Tannen“. Von dort aus waren die Innenstadt, die Industriebetriebe an der Waldstraße und auch die 1953 in Betrieb genommene Erdölraffinerie gut zu erreichen. Auch die nötige Infrastruktur mit Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, Kirchen, Gaststätten usw. wurde systematisch geplant und rasch eingerichtet. Stadtbaumeister Wilhelm Heikämper beschrieb die neue Siedlung 1955 mit folgenden Worten:

„Unter dem Gesichtspunkt moderner Raumordnung ist die neue Siedlung „Heukamps Tannen“ im Norden der Stadt von besonderer Bedeutung. Der Plan weist neben der vorhandenen Altbebauung 600 neue Bauparzellen aus, von denen in den letzten vier Jahren 400 Grundstücke mit rund 900 Wohnungen bebaut wurden. Hier darf von einer Art „Grunewald-Siedlung“ gesprochen werden, weil jedes Haus unter möglichster Erhaltung des Baumbestandes in die ursprüngliche Waldfläche eingeplant ist.

Neubauten am Finkenweg

Das bauliche Gepräge der Stadt zeigt ausgesprochen gartenmäßigen Charakter. Lediglich der Ortskern hat geschlossene Bauweise. Die in der offenen Bauweise gelegenen, vorwiegend mit Einfamilienhäusern bebauten Parzellen haben eine Größe von 600 bis 800 qm und mehr.

Eine Beibehaltung der lockeren Besiedlung ist angestrebt, wenn man sich auch bewusst ist, dass eine dichtere Bebauung mit Doppelhäusern oder gar Reihenhäusern wirtschaftliche Vorteile bringt und zur besseren Ausnutzung des Baugeländes führt. Der Emsländer neigt aber nun einmal zur eigenen Scholle und wünscht einen eigenen Garten mit landwirtschaftlicher Ausnutzung des Bodens. Es besteht nicht die Absicht, dieser Entwicklung entgegenzutreten.“

Die neue Siedlung hatte für Lingen und das Emsland dennoch einen neuen Charakter. Flüchtlinge aus Schlesien, Pommern und Ostpreußen sowie Zugezogene aus den ländlichen Orten im Emsland, Katholiken und Protestanten wohnten hier bunt durcheinander. Mitten in der Siedlung entstand die evangelische Trinitatis-Kirche, die die Katholiken wurde in der Nachbarschaft die Maria-Königin-Kirche errichtet. Die Schulen waren allerdings für beide Konfessionen getrennt. Gleichwohl bildete sich in der Siedlung rasch ein buntes Gemisch von Menschen unterschiedlicher Herkunft, die hier eine neue Heimat und ein neues Zuhause fanden.

Lebensmittelgeschäft und Gaststätte Heskamp an der Jägerstraße