Lingen in den 30er-Jahren

Der Nationalsozialismus bestimmte den Alltag und das Schicksal

NS-Kunstgebung zum ‚Tag der Bewegung‘ am 30. Januar 1936

Die 30er-Jahren waren auch in Lingen geprägt durch die Weltwirtschaftskrise, die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 und die Prägung des gesamten Lebens im Sinne der NS-Ideologie, die 1939 in den Zweiten Weltkrieg mündete.

Kundgebung beim Kreiserntedankfest 1937 in den Emswiesen bei Schepsdorf

Nach dem „schwarzen Freitag“ mit dem Börsencrash 1929 versank Deutschland in der Weltwirtschaftskrise. Zahlreiche Geschäfte und Unternehmen gerieten in Konkurs und auch in der Eisenbahnerstadt Lingen stieg die Arbeitslosigkeit auf traurige Rekorde. Viele Menschen verloren das Vertrauen in die etablierten Parteien und wurden dabei aufgestachelt von jenen, die dem demokratischen System noch nie getraut hatten. Sie setzten auf einen autoritären Führungsstil und einen „starken Mann“ an der Spitze des Staates. Anfang 1933 kam Hitler an die Macht. Damit begann ein brutales Unrechtssystem – auch in Lingen.

Antijüdische Propaganda am Eingang eines Dorfes

Der NSDAP-Kreisleiter Erich Plesse setzte den demokratisch gewählten Bürgermeister Hermann Gilles unter einem Vorwand kurzerhand ab, trat an seine Stelle und ernannte nach dem „Führerprinzip“ einen neuen Stadtrat aus Parteigenossen. Die antijüdische Propaganda wurde verstärkt und die ersten Maßnahmen gegen die Juden angeordnet. Bald flüchteten die ersten jüdischen Familien aus Lingen.

Verbot von Fahren bei einem Gottesdienst auf dem Marktplatz

Die demokratischen Parteien und die Gewerkschaften wurden verboten, die kirchlichen Verbände in ihrer Arbeit behindert und alle anderen Vereine gleichgeschaltet.

Nähwerkstatt der NS-Frauenschaft Lingen, um 1935
Liederabend bei der NS-Frauenschaft Lingen, um 1935

Neue NS-Massenorganisationen wie die Deutsche Arbeitsfront, die NS-Frauenschaft, der „Reichsnährstand“ und die Hitlerjugend umfassten breite Teile der Bevölkerung.

Am 1. Mai 1933 wurde oben am Rathaushaus ein großes Hakenkreuz angebracht…
… und spätabends bei einem Fackelzug erleuchtet

Sie bildeten die Massen bei den großen Aufzügen zu denen neuen nationalsozialistischen Feiertagen wie dem „Tag der Machtergreifung“, dem „Führergeburtstag“, dem „Tag der Deutschen Arbeit“ (1. Mai) oder den Erntedankfesten der NS-Bauernschaft.

Umzug der Hitlerjugend durch die Innenstadt, um 1936
Umzug des ‚Bund Deutscher Mädel‘ durch die Innenstadt, um 1936
Umzug des ‚Bund Deutscher Mädel‘ durch die Innenstadt, um 1936
Zeltlager der ‚Pimpfe‘ im Jungvolk der Hitlerjugend
Hitlerjugend bei einem Geländespiel
‚Pimpfe‘ im Jungvolk der Hitlerjugend bei einem Geländespiel

Die Kinder und Jugendlichen wurden im Jungvolk, der Hitlerjugend und dem Bund Deutscher Mädel organisiert. Dort wurden sie im Sinne der NS-Ideologie beeinflusst. So sollte zum Beispiel an die Stelle des christlichen Weihnachtsfestes eine „altgermanische Julfeier“ treten. Die Jungen bereiteten sich dort mit Geländespielen und Übungen auf den Militärdienst vor, die Mädchen auf ihre Rolle im NS-Staat als Hausfrau und Mutter.

Einweihung des Kriegerdenkmal beim ‚Heldengedenktag‘ 1934
Einweihung des Kriegerdenkmals beim „Heldengedenktag‘ 1934

Die Verhaftung politischer Gegner und die Verfolgung der Juden geschah vor den Augen der Öffentlichkeit, wurde aber von vielen verdrängt oder gar befürwortet, weil sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland scheinbar rasch besserten. 1938 stand Hitler auf dem Höhepunkt seiner Popularität und fand für seine Wirtschaftspolitik Zustimmung in breiten Kreisen – auch im Emsland.

Bernd Rosemeyer bei einer Ehrung am 17. Juli 1937 auf der Rathaustreppe,
rechts NSDAP-Kreisleiter Erich Plesse

Die Wiederaufrüstung Deutschlands brachte viele Arbeitsplätze -in Lingen besonders durch den Bau der Kasernen. Viele Handwerker erhielten hier Aufträge, und auch beim Aufbau der berüchtigten Emslandlager.

Der Rennfahrer Bernd Rosemeyer mit seinem Onkel (l) und NSDAP-Kreisleiter Plesse
auf dem Lingener Marktplatz am 17. Juli 1937

Bischof Wilhelm Berning, ein gebürtiger Emsländer, schwieg zu lange zu vielen Dingen und der Rennfahrer Bernd Rosemeyer sorgte für Siege und gute Schlagzeilen für den NS-Staat.

Die ausgebrannte Lingener Synagoge am 9. November 1938

Im November 1938 brannten in Deutschland die Synagogen und die Nationalsozialisten gingen mit offener Gewalt gegen die Juden vor. Das Unrechtssystem hatte seine Maske endgültig fallen lassen und fast alle schwiegen – viele aus Angst, viele aus Gleichgültigkeit. Und viele stimmten sogar zu.

Kundgebung zum 1. Mai vor dem ‚geschmückten‘ Rathaus, um 1935

Mit dem Überfall auf Polen begann im Herbst 1939 der Zweite Weltkrieg. Auch die Lingener Wehrmachtseinheiten waren daran beteiligt. Das Volks jubelte -jedenfalls in der Öffentlichkeit. Nur hinter vorgehaltener Hand oder heimlich befürchteten manche, dass das neue Jahrzehnt in eine Katastrophe führen würde.