Auch durch das Emsland führten Hellwege
Der Hellweg oder Deepe Weg bei Engden-Drievorden. Emslandmuseum Lingen.
Was hat Emsbüren mit den Städten Duisburg, Dortmund oder Paderborn gemeinsam? Auf den ersten Blick sicherlich recht wenig. Eine Antwort auf diese Frage ist: Alle diese Orte lagen an einem Hellweg!
Während der sich entlang der nördlichen deutschen Mittelgebirgsschwelle erstreckende „Westfälische Hellweg“ als bereits vorgeschichtlicher wichtiger Überlandweg noch heute ein Begriff ist, weiß allerdings kaum jemand mehr, dass auch Emsbüren-Gleesen an einem Hellweg lag. Belegt ist die Bezeichnung in einer Beschwerde aus dem Jahr 1642. Damals beanstandete der Hoferbe Hermann Tegeder im Zuge der Übernahme des elterlichen Hofes in der Emsbürener Bauerschaft Gleesen bei seinem Grundherrn, der Hofkammer in Münster, den schlechten Zustand des Anwesens. Dieser sei durch seine Lage am „Hellweg“ den durchziehenden Truppen schutzlos ausgeliefert und daher über viele Jahre immer wieder ausgeplündert worden. Über das Haupthaus heißt es in seinem Erbvertrag: „Ahn Wohnung und Zimmerten: Ein alt Hauß von sechß Fachen, welcheß, weyle es ganz zerfallen und zudem darbey der gemeinde Hellweg beiderseits hingehet, aufgezogen und anderßwo gesetzt werden muß.“ Die Hofstelle sollte also abgebaut und in einiger Entfernung vom Hellweg wieder neu errichtet werden. Der Hellweg war also ein vor allem von Soldaten häufig benutzter Weg.
Hof Tegeder, Gleesen, 1973. Emslandmuseum Lingen.
Aber woher kommt eigentlich dieser besondere Name? Diese Frage ist bislang noch nicht eindeutig geklärt worden. Bezeichnet wurde mit diesem Begriff mindestens seit dem 9. Jahrhundert im niederdeutschen Sprachraum eine öffentliche Straße, eine Landstraße oder ein Heerweg, wie schon der Erstbeleg in deutsch-lateinischer Mischform von 896 aus der Gegend von Lüttich (Belgien) zeigt: „Helvius sive strata publica“ – Hellweg oder öffentliche Straße. Möglicherweise ist ein bereits 826 genannter „Ellenuuich“ oder „Hellenwich“ ebenfalls hierher zu stellen. Danach tauchen nordwestdeutsche Belege erst wieder ab 1280 als „Helewech“ oder „Heylwech“ auf. Von Jacob Grimm (1785–1863) wurde das Erstglied zu altniederdeutsch hell ‚Unterwelt, Hölle‘ gestellt, wofür spätere Forscher im altnordischen helvegr, das sie als ‚Totenweg‘ interpretierten, einen weiteren Anhalt zu finden glaubten. Auch in Westfalen und den Niederlanden sollen Hellwege Toten- oder Leichenwege gewesen sein. War ein Hellweg somit ein alter „Highway to Hell“?
Vermutlich wird es sich eher umgekehrt verhalten haben, indem die Leichenzüge die großen Wege nutzen mussten, um zum jeweiligen Bestattungsplatz zu gelangen. Heute stellen die Historiker die Bezeichnung Hellweg gemeinhin zu hell ‚licht, hell‘, womit eine Trasse in der Breite eine Speerlanze oder eines Heufuderbaums gemeint gewesen sei, die man von Gräben, Zäunen und Bewuchs freizuhalten hatte. Diese Herleitung krankt allerdings aus sprachgeschichtlicher Sicht daran, dass das Wort erst seit dem 13. Jahrhundert überhaupt die Bedeutung ‚hell, glänzend‘ angenommen hat. Zuvor bedeutete der Begriff lediglich ‚schallen, tönen‘, war also auf den klanglichen Eindruck beschränkt. Wir kennen heute noch die helle, also laute Stimme oder den hellen Hals, den ein vorlauter Mensch besitzt.
Somit könnten die Hellwege als überörtliche Fernstraßen mit größerem Verkehrsaufkommen als ‚laute Wege‘ oder ‚Schall-/Tön-Wege‘ wahrgenommen und danach benannt worden sein – im Gegensatz zu den kleinen Nebenwegen, auf die sich kaum jemand verirrte. Eine Autobahn ist schließlich auch lauter als eine innerörtliche Tempo-30-Zone.
Die übrigen Erklärungsversuche sind als eher „abwegig“ einzuordnen, weil sie nicht auf alle Hellwege zutreffen: Salzweg (zu hal ‚Salz‘), Hangweg (zu halde, helde > helle ‚Abhang‘) – oder sie passen nicht zum kurzen e im Erstglied: ganzer Weg/Vollweg (zu heel ,heil ‚ganz‘), trockener Weg (zu hahl, hehl ‚trocken‘). Nach einer altnordischen Gleichung war ein „helvegr“ dasselbe wie ein „thiodvegr“, also ein Deetweg, ein Volks- oder Hauptweg, wie es sie ebenfalls in Nordwestdeutschland öfter gab.
Der heutige Straßenname „Hellweg“ in Lingen-Bramsche wird allerdings nicht auf einen alten Überlandweg zurück gehen und zu den alten Hellwegen gehören. Der benachbarte Straßenname „An der Helle“ zeigt an, dass hier wirklich eine Helle (s.o.), eine abschüssige Stelle, den Namen motiviert haben dürfte. Hier ist der Hellweg also der ‚Weg an der Helle‘. Das Beispiel zeigt, dass man alle heutigen Hellwege genau prüfen muss…