Thor Borch – Borg – Korteborg – Scheffer-Borg

Bauernhof Borg in Messingen war einst ein florierendes Gasthaus

Der Hof Borg, heute Scheffer, um 1950

Vor einigen Monaten haben wir hier über die Geschichte einiger alter Bauernhöfe in Messingen berichtet, weil im Archiv der Burg Hamern bei Billerbeck im Münsterland hierzu neue Quellen aus dem Jahr 1553 gefunden wurden.

Messingen und der Adel im Münsterland

Jetzt haben wir bei einem Besuch auf einem dieser Höfe bei der Familie Scheffer, früher Borg oder Korteborg, weitere spannende Dokumente und Inschriften zur Geschichte dieses Hofes entdeckt.

Erste Nennung der Höfe „Thor“ Borch in einer Urkunde von 1454

Nördlich des Dorfes Messingen liegen an einer uralten Ackerfläche, dem „Hartesch“ (heute: „Herzesch“) die beiden Höfe Langeborg und Borg (heute Scheffer) unmittelbar nebeneinander. Sie sind offensichtlich durch die Teilung eines älteren Hofes entstanden. Dabei behielten beide Höfe den Rang eines sogenannten Vollerbes, was auf eine frühe Teilung schon im Mittelalter hinweist.

Im Mittelalter besaß das Kloster Corvey an der Weser in Messingen umfangreiche Besitzungen. Bei den Höfen, die ihre Abgaben an das Kloster entrichten mussten, fällt ein Hof durch besonders hohe Abgaben auf. Dies könnte der ursprünglich ungeteilte Hof „Thor Borg“ gewesen sein.

Später kamen die Corveyer Besitzungen im Raum Lingen fast ausnahmslos in den Besitz der Grafen von Tecklenburg. Einen Teil davon vergaben sie als Lehen an ihre Vasallen, etwa an die Burgmannschaft ihrer Burg in Lingen. Vermutlich stammt daher der Name „Thor Borch“ für die beiden Höfe in Messingen.

Die aus dem Adelsstand stammenden Burgmänner betrieben ihre Bauernhöfe aber nicht selber, sondern diese wurden von Bauern bewohnt und bewirtschaftet, die für die Nutzung des Hofes Abgaben leisten mussten. Diese Bauernfamilien waren persönlich unfrei und dem Hofbesitzer als Grundherrn unterstellt, hatten aber ein vererbbaren Recht an der Nutzung des Hofes. Erst kurz nach 1800 wurde diese Art von Eigentumsrecht abgeschafft und die Bauern wurden nun zu alleinigen Eigentümern ihrer Höfe.

Erstmals werden die beiden Höfe Borg und Langeborg unter dem Namen „Thor Borch“ in einer Urkunde von 1454 erwähnt. Zu diesem Zeitpunkt gehörten sie schon dem Grafen von Tecklenburg. Er vergab sie 1454 zusammen mit weiteren Gütern in Beesten und Plantlünne als Lingener Burgmannslehen an einen Adeligen mit dem Namen Gerlach von Bevern. Dieser stammte aus einem bekannten Adelsgeschlecht im Münsterland. Seine Nachfahren erhielten 1525 und 1542 weitere Belehnungen mit den beiden Höfen thor Borch in Messingen.

Beide Höfen hatten den gleichen Namen Borg, waren im 16. Jahrhundert gleichgroß und hatten die gleichen Abgaben zu entrichten. Später nannte man sie daher zur Unterscheidung Langeborg (heute Langeborg) und Borg oder Korteborg (heute Scheffer).

Durch Erbteilung in der Familie von Bevern kam der Hof Borg (heute Scheffer) an den Zweig der Familie von Bevern zu Nienborg im Münsterland und dann als Erbteil einer Tochter durch Heirat an die Familie von Raesfeld auf der Burg Hamern bei Billerbeck. 1553 wird der Hof dort in einem Rechnungsbuch als „Borchues“ zu Messingen bezeichnet.

Die Folge der Grundherren und Bewohner des Hofes lässt sich seit dieser Zeit detailliert verfolgen. Das geistliche Güterverzeichnis der Grafschaft Lingen von 1553 nennt einen „Borch Johann de Olde“ und die Beschrivinge der Grafschaft Lingen von 1555 den entsprechenden Junior „Borch Johann“ als Hofinhaber, der dem Grundherrn Arent von Raesfeld unterstand. [Auf dem Nachbarhof Langeborg wohnte 1555 Borch Hermen, sein Grundherr war Gerlach von Bevern, Besitzer des Devesborg bei Rheine].

1604 war „Borg Berent“ der Bauer auf dem heutigen Hof Scheffer-Borg. Er unterstand der Grundherrschaft des „Drost to Hamern“. Die Drostenfamilie auf Haus Hamern war die schon genannte Familie von Raesfeld.

Im Hofarchiv Scheffer-Borg befindet sich die Abschrift eines Kaufvertrages aus dem Jahre 1620. Damals hatte der „Junker von Raesfeldt zum Hameren“ die Grundherrschaft über den Hof Borg an Johann Meyer zu Messingen und dessen Frau Grete verkauft. Der Bewohner des Hofes, Berent Borch, war damit aber nicht einverstanden und hatte auf gerichtlichem Wege versucht, eigene Rechte an dem Hof geltend zu machen. Schließlich einigte man sich darauf, dass Berent Borch die Grundherrschaft über den Hof dem Johann Meyer für 590 Reichstaler abkaufte. Damit war Borg er sein eigener Grundherr und somit frei.

Der in dem Vertrag von 1620 erwähnte Berent Borch wird um diese Zeit im Rechnungsbuch der Kapelle zu Messingen mehrfach erwähnt. 1632 war er einer der Kirchenräte. Die Kapellenvorsteher hielten einmal jährlich ihren Rechnungsabschluss bei dem Wirt Borg und vertranken dabei regelmäßig eine Tonne Bier. Auf dem Hof Borg befand sich damals also eine Gastwirtschaft.

Inschriftbalken von 1657
Der Inschriftbalken von 1657 (heute in zwei Teilen)

Einen anschaulichen Beweis für die Funktion des Bauernhauses Borg als Gaststätte liefert eine längere Hausinschrift auf einem dicken Eichenbalken, der 2022 beim Abbruch des alten Fachwerkhauses entdeckt wurde. Sie lautet:

KVMPT DIR EIN FRINDT ODER GAST, DEN SETZE FVER WAS DU HAEST

ERZEYGE IHM GVNST UND EHR – IST ES DEIN FRINDT EHR [BEGERT] VON DIR NICHT MEHR

AO 1657 DEN 14 MAY   M: I T   HS   HR   I B

(übersetzt: Kommt ein Freund oder Gast, dem setze vor, was du hast. Erweise ihm Gunst und Ehr – ist es dein Freund, dann begehrt er von dir nicht mehr).

Die Initialen M: I T stehen dabei sicher für den Zimmermann: M für Meister, I für seinen Vornamen und das T für seinen Hausnamen oder für Timmermann. Die Buchstabenkombinationen HS und HR sind bislang ungedeutet. Die Initialen I B stehen aber sicher für den damaligen Hofbesitzer Johann Borg.

Das Merkzeichen des Zimmermanns von 1657

Zwischen den Initialen des Zimmermanns und den Initialen des Bauherrn ist jeweils das sogenannte „Merk“, die Hausmarke, eingefügt. Ein solches Merk war früher ein Zeichen zur Kennzeichnung von Haus und Besitz, aber auch zur Unterzeichnung von Verträgen.

Das Merkzeichen des Johann Borg von 1657

Aus den Kirchenbüchern sowie weiteren Archivquellen lässt sich die Besitzerfolge auf dem Hof Borg seit dem 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart lückenlos nachverfolgen. Der Vorname Johann oder Johann Bernhard blieb in der Familie Borg für den Hoferben über sechs Generationen üblich.

Scheune von 1776

Im Jahre 1776 ließ der damalige Hoferbe Johann Bernhard Borg (1749-1808) eine neue Scheune errichten. Die Inschrift am Giebelbalken nimmt Bezug auf seinen Beruf als Gastwirt und auf seinen Familienstand:

Die Schönste Scheüren ZirD Ist Ein Regt Guter Wirt

und Eine Kluge Braut Warauf seyn Hertz vertraut

1776 DEN 6. Mai

Denn Johann Bernhard Borg stand damals kurz vor seiner Hochzeit und seine Braut wurde 1779 Anna Maria Dall (1754-1820).

In Borgs Gastwirtschaft, die wohl schon während des Dreißigjährigen Krieges gegründet wurde, versteigerten die Kapellenräte alljährlich die Kapelleneinnahmen, die hauptsächlich aus Roggen und Hafer bestanden. Bei bei dieser Gelegenheit wurden natürlich auch Getränke verzehrt. Der Wirt Borg stellte außerdem die Kosten für Mahlzeit und Getränke in Rechnung, wenn der Pastor von Thuine zweimal im Jahr nach Messingen kam.

Laut einem alten Rechnungsbuch verkaufte Borg auch Bier an andere Bauern, wenn dort eine Eheberedung, eine Hochzeit, eine Beerdigung oder ein „Schattelbier“ gefeiert wurde. Auf Veranlassung des Pastors oder der Armenvorsteher liefert er darüber hinaus häufig eine Kanne Bier als Stärkungsmittel für arme Kranke, die dann aus der Armenkasse bezahlt wurde.

Die Balkeninschrift von 1860
Der Inschriftbalken von 1660

Das Bauernhaus Borg wurde im Laufe der Zeit mehrfach verändert. 1860 erhielt das Stallende eine Verlängerung und einen neuen Fachwerkgiebel. Die damalige Giebelinschrift lautet:

Dies Haus in dieser Eitelkeit Dient dir nur eine kurze Zeit.

Drum denk ans Haus das ewig ist Der du in diesem Hause bist.

Joh. B. Borg u. Maria Elisabeth Kreye Ehl. [= Eheleute]

Und auf den Seitenstücken des Torbogens steht:

Erneuert 1860 – 29ten Mai

Schon wenige Jahrzehnte später wurde der Wohnteil des alten Fachwerkhauses durch einen Querflügel in Massivbauweise ersetzt. Glücklicherweise wurden dabei die Fliesen von der Herdwand des alten Hauses sorgfältig abgenommen und im Neubau wieder eingesetzt.

1937 bauten die damaligen Hofbesitzer an den Wohnteil seitlich ein großzügiges Wohnhaus an, in dem die Familie Scheffer nach einer stilechten Renovierung heute wohnt.

Der Stallteil des alten Hauses wurde 1957 noch einmal stark umbaut, doch blieben die alten Deckenbalken und Teile des Ständerwerkes bis zum Abbruch 2021 in dem Gebäude enthalten. Sie wurden 2021 sorgfältig ausgebaut.

Die Inschriftbalken werden demnächst an geeigneter Stelle neu eingesetzt.